8. Das Riemannsche Integral | 10. Konvergenz in metrischen Räumen | 11. Kompaktheit |
12. Kurven und Flächen | 13. Partielle und vollständige Differenzierbarkeit |
9. Metrik und Topologie
9.1.1 Definition metrischer Räume
Am Anfang unserer Untersuchungen dieses Kapitel steht die
Definition: Es sei X eine nichtleere Menge. Eine Funktion d:X×X⟶[0,∞) heißt eine Metrik auf X, wenn für alle x,y,z∈X gelten:
(M1) | d(x,y)≥0 |
(M2) | d(x,y)=0 genau dann, wenn x=y |
(M3) | d(x,y)=d(y,x) |
(M4) | d(x,z)≤d(x,y)+d(y,z) |
Das Paar (X,d) heißt dann ein metrischer Raum.
Es heißen
∘ | (M1) die Nichtnegativität der Metrik, |
∘ | (M3) die Symmetrie der Metrik, |
∘ | (M4) die Dreiecksungleichung. |
Tatsächlich können wir beweisen, dass die Eigenschaft (M1) aus den anderen drei Eigenschaften folgt. Verwenden wir der Reihe nach (M2), (M4) und (M3), so ist nämlich 0=d(x,x)≤d(x,y)+d(y,x)=d(x,y)+d(x,y)=2d(x,y) und daher d(x,y)≥0.
9.1.2 Beispiele metrischer Räume
Standardbeispiel
Das Standardbeispiel eines metrischen Raumes ist der R, ausgestattet mit der Betragsmetrik d(x,y):=|x−y|,x,y∈R, mit der gewöhnlichen Betragsfunktion |⋅|:R→[0,∞). Wir schreiben (R,|⋅|).
Diskrete Metrik
Ist X nichtleer, sonst aber beliebig, so stellt d(x,y):={0,falls x=y1,falls x≠y eine Metrik auf X dar, die sogenannte diskrete Metrik.
Euklidischer Raum
Hierunter verstehen wir den metrischen Raum (Rn,d) mit der Euklidischen Metrik d(x,y):=(n∑k=1|xk−yk|2)12, worin x=(x1,…,xn) und y=(y1,…,yn) Elemente des Rn:=R×…×R bezeichnen.
Zum Nachweis, dass es sich bei (Rn,d(x,y)) tatsächlich um einen metrischen Raum handelt, soll es an dieser Stelle genügen, nur die Dreiecksungleichung abzuleiten. Dazu gehen wir von der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung aus unserer Vorlesung Analysis 1 aus n∑k=1|ξkηk|≤(n∑k=1|ξk|2)12(n∑k=1|ηk|2)12. Wir schätzen nun wie folgt ab: n∑k=1|ξk+ηk|2≤n∑k=1(|ξk|+|ηk|)2=n∑k=1|ξk|2+n∑k=1|ηk|2+2n∑k=1|ξkηk|2≤n∑k=1|ξk|2+n∑k=1|ηk|2+2(n∑k=1|ξk|2)12(n∑k=1|ηk|2)12=[(n∑k=1|ξk|2)12+(n∑k=1|ηk|2)12]2 bzw. nach Radizieren (n∑k=1|ξk+ηk|2)12≤(n∑k=1|ξk|2)12+(n∑k=1|ηk|2)12. Nun ersetzen wir ξk durch xk−yk und ηk durch yk−zk und erhalten (n∑k=1|xk−zk|2)12≤(n∑k=1|xk−yk|2)12+(n∑k=1|yk−zk|2)12 bzw. mit obiger Definition von d(x,y) d(x,z)≤d(x,y)+d(y,z). Das ist die gesuchte Dreiecksungleichung.◻
Weitere Metriken im Rn
Weitere Beispiele metrischer Räume sind die Betragssummenmetrik und die Maximumsmetrik
∘ | ϱ(x,y):=|x1−y1|+|x2−y2|+…+|xn−yn| |
∘ | σ(x,y):=max{|x1−y1|,|x2−y2|,…,|xn−yn|} |
Aufgaben - Definition metrischer Räume
Aufgabe 9.1.1: (Abgeleitete Metriken)
Es sei d(x,y) eine Metrik (auf X). Beweisen Sie, dass dann ebenfalls Metriken (auf X) sind:
(i) | d1:=k⋅d mit k>0 | (ii) | d2:=d1+d |
(iii) | d3:=min{1,d} |
(i) | Wegen k>0 gelten (M1), (M2) und (M3) (bitte selbst nachrechnen). Die Dreiecksungleichung (M4) folgt aus der Dreiecksungleichung für d, nämlich |
d1(x,z)=kd(x,z)≤kd(x,y)+kd(y,z)=d1(x,y)+d1(y,z).
Also handelt es sich bei d1 um eine Metrik. | |
(ii) | Es sind zunächst (M1), (M2) und (M3) erfüllt (bitte selbst nachrechnen). Zum Nachweis der Dreiecksungleichung beachten wir |
0≤a≤b⟹a+ab≤b+ab⟹a(1+b)≤b(1+a)0≤a≤b⟹a1+a≤b1+b.
Das wenden wir an auf a=d(x,z) und b=d(x,y)+d(y,z) und erhalten (beachte a≤b) |
d2(x,z)=d(x,z)1+d(x,z)≤d(x,y)+d(y,z)1+d(x,y)+d(y,z)=d(x,y)1+d(x,y)+d(y,z)+d(y,z)1+d(x,y)+d(y,z)≤d(x,y)1+d(x,y)+d(y,z)1+d(y,z)=d2(x,y)+d2(y,z).
Also handelt es sich bei d2 um eine Metrik. | |
(iii) | Wegen d(x,y)≥0 für alle x,y∈X haben wir zunächst |
d3(x,y)=min{1,d(x,y)}={1,falls 1≤d(x,y)d(x,y),falls d(x,y)≤1≥0
für alle x,y∈X, also (M1). Ferner haben wir |
d3(x,y)=0⟹min{1,d(x,y)}=0⟹d(x,y)=0,d(x,y)=0⟹min{1,d(x,y)}=min{1,0}=0⟹d3(x,y)=0,
bzw. |
d3(x,y)=0⟺d(x,y)=0⟺x=y,
und das ist (M2). Drittens gilt wegen d(x,y)=d(y,x) für alle x,y∈X |
d3(x,y)=min{1,d(x,y)}=min{1,d(y,x)}=d3(y,x)für alle x,y∈X,
also (M3). Zum Nachweis der Dreiecksungleichung beachten wir |
min{1,a}≤min{1,b}für alle 0≤a≤b,
was man beispielsweise für die drei möglichen Fälle |
0≤a≤b≤1,0≤a≤1<b,1<a≤b
getrennt nachweist. Ebenso sieht man ein |
min{1,a+b}≤min{1,a}+min{1,b}für alle a,b≥0
durch die Fallunterscheidung |
0≤a,b≤1 und a+b≤1,0≤a,b≤1 und a+b>1,0≤a≤1, 1<bund1<a,b.
Es folgt damit (M4), nämlich |
d3(x,z)=min{1,d(x,z)}≤min{1,d(x,y)+d(y,z)}≤min{1,d(x,y)}+min{1,d(y,z)}=d3(x,y)+d3(y,z).
Also handelt es sich bei d3 um eine Metrik. |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgabe 9.1.2: (Gegenbeispiele von Metriken I)
Zeigen Sie, dass folgende Abbildunge keine Metriken auf R darstellen:
(i) | d1(x,y):=|x−3y|,x,y∈R |
(ii) | d2(x,y):=|x|−|y|,x,y∈R |
(iii) | d3(x,y):=|x||y|,x,y∈R |
(i) | Im Fall x=y und x≠0 ist |
d1(x,x)=|x−3x|=2|x|≠0
im Widerspruch zu (M2), d.h. d1 ist keine Metrik auf R. | |
(ii) | Im Fall y=2x und x≠0 ist |
d2(x,2x)=|x|−2|x|=−|x|<0,
im Widerspruch zu (M1), d.h. d2 ist keine Metrik auf R. | |
(iii) | Wähle x=0 und y=1, insbesondere also x≠y, dann ist |
d3(0,1)=01=0
im Widerspruch zu (M2), d.h. d3 ist keine Metrik auf R. |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgabe 9.1.3: (Gegenbeispiele von Metriken II)
Es sei X={1,2,3,4,5}.
(i) | Geben Sie ein Beispiel einer Abbildung d:X×X→R, die eine Metrik auf X ist. |
(ii) | Geben Sie ein Beispiel einer Abbildung d:X×X→R, die keine Metrik auf X ist. |
Begründen Sie jeweils.
(i) | Eine Metrik ist die in unten stehender Aufgabe 9.1.7 diskutierte diskrete Metrik |
d(x,y):={0,falls x=y1,falls x≠y,x,y∈{1,2,3,4,5}.
(ii) | Keine Metrik stellt folgende Abbildung dar |
d(x,y):={1,falls x=y0,falls x≠y,x,y∈{1,2,3,4,5},
da bereits (M2) verletzt ist. |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgaben - Beispiele metrischer Räume
Aufgabe 9.1.4: (Standardmetrik)
Beweisen Sie, dass (R,d) mit der Abbildung d(x,y):=|x−y|,x,y∈R, ein metrischer Raum ist.
Die Behauptung folgt sofort aus den bekannten Eigenschaften der Betragsfunktion:
∘ | Es ist |
d(x,y)=|x−y|≥0für alle x,y∈R.
∘ | Es ist |
d(x,y)=|x−y|=0genau dann, wenn x=y,
d.h. d(x,y)=0 genau dann, wenn x=y. | |
∘ | Es ist |
d(x,y)=|x−y|=|y−x|=d(y,x)für alle x,y∈R.
∘ | Es ist mit der Dreiecksungleichung für die Betragsfunktion ist |
d(x,z)=|x−z|=|x−y+y−z|≤|x−y|+|y−z|=d(x,y)+d(y,z)
für alle x,y∈R. |
Also handelt es sich bei (R,|⋅|) um einen metrischen Raum.◻
Aufgabe 9.1.5: (Eine Metrik aus inversen Elementen)
Auf X=[1,∞) betrachten wir die Abbildung d(x,y):=|1x−1y|,x,y∈X. Beweisen Sie, dass (X,d) ein metrischer Raum ist.
∘ | Zunächst ist |
d(x,y)=|1x−1y|≥0für alle x,y∈[1,∞),
was (M1) zeigt. | |
∘ | Im Fall x=y folgt sofort d(x,y)=0. Ist umgekehrt d(x,y)=0, so folgt |
|1x−1y|=0und damitx=y.
Das zeigt (M2). | |
∘ | Die Eigenschaft (M2) folgt aus |
d(x,y)=|1x−1y|=|1y−1x|=d(y,x).
∘ | Schließlich gilt auch (M4), denn |
d(x,z)=|1x−1z|=|1x−1y+1y−1z|≤|1x−1y|+|1y−1z|=d(x,y)+d(y,z). Also handelt es sich bei ([1,∞),d) um einen metrischen Raum.◻
Aufgabe 9.1.6: (Diskrete Metrik)
Es sei X eine nichtleere Menge. Beweisen Sie, dass dann durch d(x,y):={0,falls x=y1,falls x≠y,x,y∈X, eine Metrik auf X definiert ist.
∘ | Da d(x,y)∈{0,1} für alle x,y∈X, gilt (M1). |
∘ | (M2) gilt unmittelbar nach Definition der disktreten Metrik. |
∘ | Es ist |
d(x,y)={0,falls x=y1,falls x≠y={0,falls y=x1,falls y≠x=d(y,x),
∘ | und damit gilt (M3). |
∘ | Angenommen, es ist x=z, dann gilt die Behauptung wegen d(x,z)=0. Ist aber x≠z, so unterscheiden wir zwischen y=z bzw. x≠y und damit d(x,y)=1 und y≠z und damit d(y,z)=1. In beiden Fällen ist die Behauptung ebenfalls richtig. |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgabe 9.1.7: (Eine Metrik mit dem natürlichen Logarithmus)
Betrachten Sie die Abbildung d:R×R⟶Rvermöged(x,y):=ln(1+|x−y|). Beweisen Sie, dass (R,d) ein metrischer Raum ist.
∘ | Da ln:(0,∞)→R streng monoton wächst, gilt zunächst (M1), denn |
ln(1+|x−y|)≥ln(1+0)=ln1=0für alle x,y∈R.
∘ | Auf Grund der strengen Monotonie ist weiter |
ln(1+|x−y|)=0genau dann, wenn|x−y|=0,
d.h. genau dann, wenn x=y, und das ist (M2). | |
∘ | Die Eigenschaft (M3) folgt aus |
d(x,y)=ln(1+|x−y|)=ln(1+|y−x|)=d(y,x).
∘ | Schließlich ist zu zeigen |
ln(1+|x−z|)≤ln(1+|x−y|)+ln(1+|y−z|),x,y,z∈R,
unter Beachtung von |x−z|≤|x−y|+|y−z| bzw. kürzer |
ln(1+c)≤ln(1+a)+ln(1+b)mit a,b,c≥0, c≤a+b.
Wegen der strengen Monotonie des natürlichen Logarithmus ist diese Aussage klar für a>c und b>c. Die Fälle a=c bzw. b=c bedeuten in unserer konkreten Situation x=y bzw. y=z und sind daher ebenfalls sofort einsehbar, ebenso wie auch der Fall a=b. Wir konzentrieren uns also auf den Fall |
0<a<b<c≤a+b.
Indem wir uns den grafischen Verlauf der Funktion x↦lnx, x≥1, verdeutlichen, sehen wir zunächst ein |
ln(1+a)≥ln(1)+a⋅11+a=a1+a,
nämlich nach Vergleich des Funktionenwertes ln(1+a) mit dem Endpunkt (1+a,a1+a) der Strecke durch (1,ln(1)) mit dem Anstieg 11+a, sowie |
ln(1+c)≤ln(1+b)+a⋅11+b=ln(1+b)+a1+b,
nämlich nach Vergleich von ln(1+c) mit dem Endpunkt (1+b,ln(1+b)+a1+b) der Strecke durch (1+b,ln(1+b)) mit Anstieg 11+b. Die zweite Ungleichung können wir demnach wegen a<b wie folgt weiterführen |
ln(1+c)≤ln(1+b)+a1+b≤ln(1+b)+a1+a≤ln(1+b)+ln(1+a).
Hieraus schließen wir die Dreiecksungleichung (M4). |
Also handelt es sich bei d(x,y) um eine Metrik auf R×R.◻
Aufgabe 9.1.8: (Bijektive Funktionen und metrische Räume)
Es sei f:[a,b]→[c,d] eine bijektive Abbildung auf den nichtleeren, kompakten Intervallen [a,b]⊂R und [c,d]⊂R. Wir setzen d(x,y):=|f(x)−f(y)|,x,y∈[a,b]. Beweisen Sie, dass dann ([a,b],d) ein metrischer Raum ist.
∘ | Zunächst ist |
d(x,y)=|f(x)−f(y)|≥0für alle x,y∈[a,b].
∘ | Im Fall x=y ist f(x)=f(y) und damit d(x,y)=0. Ist umgekehrt d(x,y)=0 und damit f(x)=f(y), so folgt x=y aus der Bijektivität der Abbildung. |
∘ | Es ist weiter |
d(x,y)=|f(x)−f(y)|=|f(y)−f(x)|=d(y,x)für alle x,y∈[a,b].
∘ | Schließlich ermitteln wir |
d(x,z)=|f(x)−f(z)|=|f(x)−f(y)+f(y)−f(z)|≤|f(x)−f(y)|+|f(y)−f(z)|=d(x,y)+d(y,z)
für alle x,y∈[a,b]. |
Also handelt es sich bei [a,b],d(x,y) um einen metrischen Raum.◻
Aufgabe 9.1.9: (Stetige Funktionen und metrische Räume)
Es sei X=C0([a,b],R) die Menge aller auf dem kompakten Intervall [a,b]⊂R, a<b, stetigen, reellwertigen Funktionen f:[a,b]→R. Sei ferner d(f,g):=b∫a|f(x)−g(x)|dx. Beweisen Sie, dass dann (X,d) ein metrischer Raum ist.
∘ | Wegen |f(x)−g(x)|≥0 ist zunächst |
d(f,g)=b∫a|f(x)−g(x)|dx≥0für alle f,g∈C0([a,b],R).
∘ | Im Fall f=g gilt |f(x)−g(x)|=0 für alle x∈[a,b] und damit auch d(f,g)=0. Ist umgekehrt d(f,g)=0, so folgt f=g. Andernfalls existiert nämlich ein x0∈[a,b] mit |f(x0)−g(x0)|>0, und Aufgabe 8.4.4 liefert d(f,g)>0. |
∘ | Weiter ist |
d(f,g)=b∫a|f(x)−g(x)|dx=b∫a|g(x)−f(x)|dx=d(g,f)
für alle f,g∈C0([a,b],R). | |
∘ | Schließlich ist |
d(f,h)=b∫a|f(x)−h(x)|dx=b∫a|f(x)−g(x)+g(x)−h(x)|dx≤b∫a{|f(x)−g(x)|+|g(x)−h(x)|}dx=b∫a|f(x)−g(x)|dx+b∫a|g(x)−h(x)|dx=d(f,g)+d(g,h)
für alle f,g,h∈C0([a,b],R). |
Also handelt es sich bei (X,d) um einen metrischen Raum.◻
1. | Definieren Sie die Begriffe Metrik und metrischer Raum. |
2. | Was versteht man unter der Betragsmetrik in R? |
3. | Was versteht man unter der diskreten Metrik? |
4. | Was versteht man unter der Euklidischen Metrik in Rn? |
5. | Was versteht man unter der Betragssummenmetrik in Rn? |
6. | Was versteht man unter der Maximumsmetrik in Rn? |
9.2.1 Definition normierter Räume
In unserer nächsten Definition legen wir reelle Vektorräume zu Grunde, also Räume, in denen eine Addition und eine skalare Multiplikation erklärt sind.
Definition: Es sei V ein reeller Vektorraum. Eine Abbildung ‖⋅‖:V⟶[0,∞) heißt eine Norm auf V, wenn für alle x,y∈V und alle λ∈R gelten:
(N1) | ‖x‖≥0 |
(N2) | ‖x‖=0 genau dann, wenn x=0 |
(N3) | ‖λx‖=|λ|⋅‖x‖ |
(N4) | ‖x+y‖≤‖x‖+‖y‖ |
Das Paar (V,‖⋅‖) heißt dann ein normierter Raum.
Es heißen
∘ | (N1) die Nichtnegativität der Norm, |
∘ | (N3) die Homogenität der Norm, |
∘ | (N4) die Dreiecksungleichung. |
9.2.2 Metrische und normierte Räume
Ein wichtiger Zusammenhang zwischen metrischen und normierten Räumen ist Inhalt des folgenden Satzes, dessen Beweis wir als Übung belassen.
Satz: Es sei (V,‖⋅‖) ein normierter Raum. Dann stellt d(x,y):=‖x−y‖,x,y∈V, eine Metrik auf V dar.
Normierte Räume sind also gleichzeitig metrisch. Die Umkehrung ist jedoch i.A. falsch.
9.2.3 Beispiele normierter Räume
Der gewöhnliche Betrag in R
Die gewöhnliche Betragsfunktion |⋅|:R→R auf den reellen Zahlen ist das Standardbeispiel einer Norm.
Die Euklidische Norm im Rn
Hierunter verstehen wir die Abbildung ‖x‖2:=√x21+x22+…+x2n,x=(x1,…,xn)∈Rn. Im Fall n=2 ergibt sich die bekannte Formel für die Länge ‖x‖ der Hypothenuse eines ebenen, rechtwinkligen Dreiecks mit den beiden Katheten x1 und x2.
Die p-Norm im Rn
In Verallgemeinerung der Euklidischen Norm setzen wir für p∈N ‖x‖p:=(n∑k=1|xk|p)1p,x=(x1,…,xn)∈Rn. Im Fall p=1 sprechen wir auch von der Betragssummennorm.
Die Supremumsnorm im Rn
Hierunter verstehen wir die Abbildung ‖x‖∞:=max{|x1|,…,|xn|},x=(x1,…,xn)∈Rn.
Formal gliedert sich ‖⋅‖∞ wie folgt in die p-Normen ein: ‖x‖p=(n∑k=1|xk|p)1p=‖x‖∞(n∑k=1[|xk|‖x‖∞]p)1p, falls x≠0, wobei 1≤n∑k=1[|xk|‖x‖∞]p≤n, falls 1≤p<∞. Es folgt limp→∞‖x‖p=‖x‖∞⋅limp→∞(n∑k=1[|xk|‖x‖∞]p)1p=‖x‖∞⋅1.
Ein Beweis des folgenden wichtigen Satzes bedarf Hilfsmittel, die wir erst später zur Verfügung stellen.
Satz: Im Rn sind alle Normen äquivalent, d.h. zu zwei beliebigen Normen ‖⋅‖1:Rn→[0,∞) und ‖⋅‖2:Rn→R existieren stets Konstanten λ,μ≥0, so dass λ‖x‖1≤‖x‖2≤μ‖x‖1für alle x∈Rn richtig ist.
Eine solche Aussage ist in unendlich dimensionalen Vektorräumen i.A. nicht mehr richtig.
Aufgaben - Definition normierter Räume
Aufgabe 9.2.1: (Gegenbeispiel von Normen)
Zeigen Sie, dass es sich bei den folgenden Abbildungen ‖⋅‖:R2→R nicht um Normen handelt.
(i) | ‖x‖:=|x1| | (ii) | ‖x‖:=x1+x2 |
(iii) | ‖x‖:=√x1+x2 |
(i) | Betrachte x=(0,1). Dann ist ‖x‖=0, obwohl x≠0. Widerspruch zu (N2). |
(ii) | Betrachte x=(−1,1). Dann ist ‖x‖=−1+1=0, obwohl x≠0. Widerspruch zu (N2). |
(iii) | Gehe wie in (ii) vor. |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgaben - Metrische und normierte Räume
Aufgabe 9.2.2: (Metriken auf normierten Räumen)
Es sei (V,‖⋅‖) ein normierter Raum. Beweisen Sie, dass dann d(x,y):=‖x−y‖,x,y∈V, eine Metrik auf V darstellt.
∘ | Nach (N1) ist ‖x−y‖≥0, d.h. es ist (M1) erfüllt. |
∘ | Nach (N2) ist ‖x−y‖=0 genau dann, wenn x=y, d.h. es ist (M2) erfüllt. |
∘ | Nach (N3) ermitteln wir |
d(x,y)=‖x−y‖=‖−(y−x)‖=|−1|⋅‖y−x‖=‖y−x‖=d(y,x),
d.h. es ist (M3) erfüllt. | |
∘ | Nach (N4) ermitteln wir |
d(x,z)=‖x−z‖=‖(x−y)+(y−z)‖≤‖x−y‖+‖y−z‖=d(x,y)+d(y,z),
d.h. es ist (M4) erfüllt. |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgabe 9.2.3: (Metrische Räume sind nicht notwendig normiert)
Es sei X eine nichtleere Menge. Beweisen Sie, dass die diskrete Metrik d(x,y):={0,falls x=y1,falls x≠y nicht von einer Norm erzeugt wird, d.h. es gibt keine Norm ‖⋅‖ auf X mit d(x,y)=‖x−y‖.
Angenommen, d(x,y) wird von einer Norm ‖⋅‖ erzeugt. Sei x≠0 beliebig gewählt. Dann gilt 1=d(x,0)=‖x−0‖=‖x‖für alle x∈V∖{0}. Das führt uns mit (N3) aber zu einem Widerspruch, nämlich 1=d(2x,0)=‖2x‖=2‖x‖=2d(x,0)=2⋅1, also 1=2. Dieser Widerspruch beweist die Behauptung.◻
Aufgabe 9.2.4: (Frechetmetriken)
Eine Abbildung φ:X→R auf einem Vektorraum X mit den Eigenschaften
(F1) | φ(x)≥0 für alle x∈X, |
(F2) | φ(x)=0 genau dann, wenn x=0, |
(F3) | φ(x)=φ(−x) für alle x∈X, |
(F4) | φ(x+y)≤φ(x)+φ(y) für alle x,y∈X |
heißt eine Frechetmetrik auf X. Beweisen Sie:
(i) | Jede Norm x↦‖x‖ auf X ist eine Frechetmetrik auf X. |
(ii) | Nicht jede Frechetmetrik auf X ist eine Norm. Ein Gegenbeispiel ist |
x↦|x|1+|x|,x∈Rn.
Begründen Sie. | |
(iii) | Jede Frechetmetrik auf X induziert vermöge |
d(x,y):=φ(x−y),x,y∈X,
eine Metrik auf X. |
(i) | Wir setzen |
φ(x):=‖x‖,x∈X.
Dann gelten (F1) wegen (N1) und (F2) wegen (N2). Ferner ist mit (N3) |
φ(x)=‖x‖=|−1|⋅‖x‖=‖−x‖=φ(−x),
d.h. es gilt (F3), und (F4) folgt sofort aus (N4). Also ist jede Norm auch eine Frechetmetrik. | |
(ii) | Zunächst stellt |
φ(x)=|x|1+|x|,x∈Rn,
eine Frechetmetrik auf dem Rn dar. Die Eigenschaften (F1), (F2) und (F3) sind sofort klar, um (F4) zu verifizieren, ermitteln wir |
|x+y|≤|x|+|y|⟹|x+y|≤|x|+|y|+2|x||y|⟹|x+y|+(|x|+|y|+|x||y|)|x+y|≤|x|+|y|+2|x||y|+(|x|+|y|+2|x||y|)|x+y|⟹|x+y|(1+|x|)(1+|y|)≤(|x|+|y|+2|x||y|)(1+|x+y|)⟹|x+y|1+|x+y|≤|x|+|y|+2|x||y|(1+|x|)(1+|y|)⟹|x+y|1+|x+y|≤|x|(1+|y|)+|y|(1+|x|)(1+|x|)(1+|y|)⟹|x+y|1+|x+y|≤|x|1+|x|+|y|1+|y|
und damit |
φ(x+y)≤φ(x)+φ(y),x,y∈R.
Also stellt φ(x) eine Frechetmetrik dar. Allerdings handelt es sich nicht um eine Norm, da insbesondere die Homogenität (N3) verletzt ist. | |
(iii) | Die Eigenschaft (F1) sichert |
d(x,y)≥0für alle x,y∈X,
also (M1). Ferner ist mit (F2) |
d(x,y)=0genau dann, wennx−y=0 bzw. x=y
und damit (M2). Mit (F3) ist weiter |
d(x,y)=φ(x−y)=φ(y−x)=d(y,x),x,y∈X,
also (M3). Schließlich ermitteln wir mit (F4) |
d(x,z)=φ(x−z)=φ(x−y+y−z)≤φ(x−y)+φ(y−z)=d(x,y)+d(y,z)
für alle x,y,z∈X und damit (M4). |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgaben - Beispiele normierter Räume
Aufgabe 9.2.5: (Supremumsnorm im Rn)
Beweisen Sie, dass Rn,‖⋅‖∞ mit der Setzung ‖x‖∞:=max{|x1|,…,|xn|},x=(x1,…,xn)∈Rn, ein normierter Raum ist.
∘ | Wegen |xi|≥0 für alle i=1,…,n ist stets ‖x‖∞≥0. Also gilt (N1). |
∘ | Sei ‖x‖∞=0, so folgt |
max{|x1|,…,|xn|}=0bzw.|x1|=0,…,|xn|=0
und damit x=0. Ist umgekehrt x=0, so auch |
x1=…=xn=0bzw.max{|x1|,…,|xn|}=0bzw.‖x‖∞=0.
Also gilt (N2). | |
∘ | Für beliebiges λ∈R berechnen wir |
‖λx‖∞=max{|λx1|,|λx2|,…,|λxn|}=max{|λ||x1|,|λ||x2|,…,|λ||xn|}=|λ|⋅max{|x1|,|x2|,…,|xn|}=|λ|‖x‖∞
und damit (N3). Schließlich ermitteln wir |
‖x+y‖∞=max{|x1+y1|,|x2+y2|,…,|xn+yn|}≤max{|x1|+|y1|,|x2|+|y2|,…,|xn|+|yn|}≤max{|x1|,|x2|,…,|xn|}+max{|y1|,|y2|,…,|yn|}=‖x‖∞+‖y‖∞
und damit (N4). |
Also handelt es sich bei ‖x‖∞ um eine Norm auf Rn.◻
Aufgabe 9.2.6: (Betragssummenorm im Rn)
Wir betrachten den Rn zusammen mit der Abbildung ‖x‖1:=n∑i=1|xi|,x=(x1,…,xn)∈Rn. Beweisen Sie, dass dann (Rn,‖⋅‖1) ein normierter Raum ist.
∘ | Zunächst ist |
‖x‖1≥0für alle x∈Rn,
da jeder Summand im Normausdruck nicht negativ ist. Also gilt (N1). | |
∘ | Ist ‖x‖1=0, so ist auch |
n∑i=1|xi|=0bzw.|xi|=0für alle i=1,…,
und damit x=0. Ist umgekehrt x=0, so ist |
xi=0für alle i=1,…,nbzw.n∑i=1|xi|=0
und damit ‖x‖1=0. Also gilt (N2). | |
∘ | Mit einem λ∈R ist ferner |
‖λx‖1=n∑i=1|λxi|=|λ|n∑i=1|xi|=|λ|‖x‖1.
Also gilt (N3). | |
∘ | Schließlich ermitteln wir mit der gewöhnlichen Dreiecksungleichung |
‖x+y‖1=n∑i=1|xi+yi|≤n∑i=1(|xi|+|yi|)≤n∑i=1|xi|+n∑i=1|yi|=‖x‖1+‖y‖1.
Also gilt auch (N4). |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgabe 9.2.7: (Beispiel einer Norm im R2)
Beweisen Sie, dass durch ‖x‖:=max{|x1|,12|x1+x2|},x=(x1,x2)∈R2, eine Norm auf dem R2 definiert ist.
∘ | Zunächst gilt (N1), da |
|x1|≥0und12|x1+x2|≥0für alle x=(x1,x2)∈R2.
∘ | Sei nun x=0. Dann sind x1=x2=0 und daher auch ‖x‖=0. Sei nun ‖x‖=0. Im Fall ‖x‖=|x1| ist dann x1=0 bzw. |
0≤12|x1+x2|=12|x2|≤‖x‖=0bzw.x2=0
und damit x=0, oder es ist |x1+x2|=0 bzw. |
0≤|x1|≤‖x‖=0bzw.x1=0
und wegen x1+x2=0 auch x2=0 und damit erneut x=0. Insgesamt folgt (N2). | |
∘ | Sei nun λ∈R. Zum Nachweis der Homogenität ermitteln wir |
‖λx‖=max{|λx1|,12|λx1+λx2|}=max{|λ||x1|,|λ|2|x1+x2|}=|λ|⋅max{|x1|,12|x1+x2|}=|λ‖x‖.
Also gilt (N3). | |
∘ | Schließlich ermitteln wir mit der gewöhnlichen Dreiecksungleichung |
‖x+y‖=max{|x1+y1|,12|x1+x2+y1+y2|}≤max{|x1|+|y1|,12|x1+x2|+12|y1+y2|}≤max{|x1|,12|x1+x2|}+max{|y1|,12|y1+y2|}=‖x‖+‖y‖.
Also gilt auch die Dreiecksungleichung (N4). |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgabe 9.2.8: (Euklidische Norm im Rn)
Wir betrachten den Rn, ausgestattet mit dem Standardskalarprodukt ⟨x,y⟩:=n∑i=1xiyi,x,y∈Rn. Beweisen Sie, dass dann (Rn,‖⋅‖2) mit der Setzung ‖x‖2:=√⟨x,x⟩,x∈Rn, zu einem normierten Raum wird.
∘ | Zunächst ist |
‖x‖2=√n∑i=1x2i≥0für alle x∈Rn,
da jeder Summand rechts nicht negativ ist. Das ist (N1). | |
∘ | Ist x=0, so ist xi=0 für alle i=1,…,n und daher ‖x‖2=0. Ist umgekehrt ‖x‖2=0, so folgt x2i=0 für alle i=1,…,n und daher x=0. Das ist (N2). |
∘ | Wir ermitteln |
‖λx‖2=√n∑i=1(λxi)2=√λ2n∑i=1x2i=|λ|√n∑i=1x2i=|λ|‖x‖2,
und das ist (N3). | |
∘ | Wir ermitteln |
‖x+y‖22=n∑i=1(xi+yi)2=n∑i=1x2i+2n∑i=1xiyi+n∑i=1y2i=‖x‖22+‖y‖22+2⟨x,y⟩.
Nun erinnern wir an die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung aus der Analysis 1, hier in der Form |
⟨x,y⟩=n∑i=1xiyi≤(n∑i=1x2i)12(n∑i=1y2i)12=‖x‖2‖y‖2.
Damit schätzen wir wie folgt weiter ab |
‖x+y‖22=‖x‖22+‖y‖22+2⟨x,y⟩≤‖x‖22+‖y‖22+2‖x‖2‖y‖2=(‖x‖2+‖y‖2)2.
Radizieren liefert die Dreiecksungleichung (N4). |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgabe 9.2.9: (Der normierte Raum der beschränkten Funktionen)
Es sei [a,b]⊂R, a<b, ein kompaktes Intervall. Wir bezeichnen B([a,b]):={f:[a,b]→R:f([a,b]) ist beschränkte Teilmenge von R} die Menge aller reellwertigen und beschränkten Funktionen auf [a,b]. Beweisen Sie, dass B([a,b]) zusammen mit der Supremumsnorm ‖f‖∞:=supx∈[a,b]|f(x)|,f∈B([a,b]), zu einem normierten Raum wird.
∘ | Zunächst ist ‖f‖∞≥0 für alle f∈B([a,b]) wegen |f(x)|≥0. Es gilt also (N1). |
∘ | Die Funktion f(x)=0 für alle x∈[a,b] ist aus B([a,b]). Sie genügt ‖0‖∞=0. Umgekehrt gelte ‖f‖∞=0, d.h. |
0≤|f(x)|≤supx∈[a,b]|f(x)|für alle x∈[a,b],
bzw. f(x)≡0. Das ist (N2). | |
∘ | Wir ermitteln |
‖λf‖∞=supx∈[a,b]|λf(x)|=supx∈[a,b]|λ||f(x)|=|λ|⋅supx∈[a,b]|f(x)|=|λ|‖f‖∞,
und daher gilt (N3). | |
∘ | Seien f,g∈B([a,b]). Dann ermitteln wir mit der gewöhnlichen Dreiecksungleichung |
‖f+g‖∞=supx∈[a,b]|f(x)+g(x)|≤supx∈[a,b]{|f(x)|+|g(x)|}≤supx∈[a,b]|f(x)|+supx∈[a,b]|g(x)|=‖f‖∞+‖g‖∞.
Also gilt auch die Dreiecksungleichung (N4). |
Damit ist alles gezeigt.◻
Aufgabe 9.2.10: (Beispiele äquivalenter Normen I)
Es bezeichnen ‖⋅‖1 die Betragssummennorm und ‖⋅‖∞ die Supremumsnorm im Rn. Finden Sie zwei nur von n∈N abhängige Konstanten C1(n),C2(n)∈(0,∞) mit der Eigenschaft C1(n)‖x‖1≤‖x‖∞≤C2(n)‖x‖1für alle x∈Rn. Die Betragssummennorm und die Supremumsnorm sind also im Rn äquivalent.
∘ | Wir ermitteln |
‖x‖1=n∑i=1|xi|≤n∑i=1max{|x1|,…,|xn|}=n⋅max{|x1|,…,|xn|}=n⋅‖x‖∞,
und wir erhalten nach Umstellen |
1n⋅‖x‖1≤‖x‖∞für alle x∈Rn.
∘ | Umgekehrt gilt sofort |
‖x‖∞=max{|x1|,…,|xn|}≤n∑i=1|xi|=‖x‖1für alle x∈Rn,
da die betragsmäßig größte Komponente des Vektors x, beispielsweise |x1|, im Ausdruck für ‖x‖1 nur einen der n nichtnegativen Summanden darstellt. |
Also sind ‖⋅‖1 und ‖⋅‖∞ äquivalent, und die gesuchten Konstanten lauten C1(n):=1n,C2(n):=1. Das war zu zeigen.◻
Aufgabe 9.2.11: (Beispiele äquivalenter Normen II)
Es bezeichnen ‖⋅‖2 die Euklidische Norm und ‖x‖∞ die Supremumsnorm im Rn. Finden Sie zwei nur von n∈N abhängige Konstanten C1(n),C2(n)∈(0,∞) mit der Eigenschaft C1(n)‖x‖2≤‖x‖∞≤C2(n)‖x‖2für alle x∈Rn. Die Euklidische Norm und die Supremumsnorm sind also im Rn äquivalent.
∘ | Wir ermitteln |
‖x‖2=√n∑i=1|xi|2≤√n∑i=1max{|x1|,…,|xn|}2=√n∑i=11⋅√max{|x1|,…,|xn|}2=√n‖x‖∞
bzw. nach Umstellen |
1√n‖x‖2≤‖x‖∞für alle x∈Rn.
∘ | Umgekehrt gilt auch hier sofort |
‖x‖∞=max{|x1|,…,|xn|}≤√n∑i=1|xi|2=‖x‖2für alle x∈Rn,
da das Quadrat der betragsmäßig größten Komponente des Vektors x, also beispielsweise |x1|2, im Ausdruck für ‖x‖2 nur einen der n nichtnegativen Summanden darstellt. |
Also sind ‖x‖2 und ‖x‖∞ äquivalent, und die gesuchten Konstanten lauten C1(n):=1√n,C2(n):=1. Das war zu zeigen.◻
Aufgabe 9.2.12: (Beispiele äquivalenter Normen III)
Beweisen Sie, dass die Betragssummennorm ‖⋅‖1 und die Euklidische Norm ‖⋅‖2 im Rn äquivalent sind.
Nach den Aufgaben 9.2.10 und 9.2.11 gelten 1n‖x‖1≤‖x‖∞≤‖x‖1,1√n‖x‖2≤‖x‖∞≤‖x‖2 für alle x∈Rn. Hieraus schließen wir 1n‖x‖1≤‖x‖∞≤‖x‖2,1√n‖x‖2≤‖x‖∞≤‖x‖1 bzw. nach nochmaligem Umstellen 1n‖x‖1≤‖x‖2≤√n‖x‖1. Also sind die Normen ‖x‖1 und ‖x‖2 im Rn äquivalent. Wir bemerken aber, dass die angegebenen Konstanten noch verbessert werden können: Zunächst ist mit der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung ‖x‖1=n∑i=1|xi|≤(n∑i=1x2i)12(n∑i=11)12=√n‖x‖2, und durch Quadrieren sieht man ebenfalls ein ‖x‖2≤‖x‖1. Zusammenfassend erhalten wir also 1√n‖x‖1≤‖x‖2≤‖x‖1. Damit ist alles gezeigt.◻
1. | Definieren Sie die Begriffe Norm und normierter Raum. |
2. | Beweisen Sie, dass normierte Räme metrisch sind. Wie lautet die von der Norm erzeugte Metrik? |
3. | Was ist unser Standardbeispiel eines normierten Raumes? |
4. | Was versteht man unter der Euklidischen Norm in Rn? |
5. | Was versteht man unter der p-Norm in Rn? |
6. | Was versteht man unter der Betragssummennorm in Rn? |
7. | Was versteht man unter der Supremumsnorm in Rn? |
8. | Wann heißen zwei Normen äquivalent? |
9. | Was können Sie über die Äquivalenz von Normen in Rn aussagen? |
Es sei (X,d) ein metrischer Raum. Wir bezeichnen mit Br(a):={x∈X:d(x,a)<r}⊆X den offenen Ball vom Radius r>0 und mit Mittelpunkt a∈X.
Definition: Eine Teilmenge U⊆X eines metrischen Raumes (X,d) heißt eine Umgebung eines Punktes a∈X, falls ein ε>0 existiert mit Bε(a)⊆U.
9.3.2 Das Hausdorffsche Trennungsaxiom
Zwei verschiedene Punkte eines metrischen Raumes lassen sich durch offene Umgebungen voneinander trennen. Genauer gilt das folgende Hausdorffsche Trennungsaxiom, welches wir für metrische Räume als Satz formulieren können.
Satz: Es sei (X,d) ein metrischer Raum. Zu zwei beliebig gewählten, aber voneinander verschiedenen Punkten x,y∈X existieren dann zwei zueinander disjunkte Umgebungen U⊂X von x und V⊂X von y, so dass gilt U∩V=∅.
Setze nämlich, da x≠y, ε:=12d(x,y)>0 und betrachte U:=Bε(x),V:=Bε(y). Es existiert dann kein z∈X mit z∈U∩V. Denn für ein solches z wäre z∈U,d.h. d(x,z)<ε,z∈V,d.h. d(y,z)<ε. Mit der Dreiecksungleichung folgt 2ε=d(x,y)≤d(x,z)+d(z,y)<ε+ε=2ε, also 2ε<2ε, und das ist ein Widerspruch.◻
Mit Hilfe des Umgebungsbegriffs definieren wir nun den Begriff einer offenen Menge:
Definition: Es sei (X,d) ein metrischer Raum. Eine Teilmenge U⊆X heißt offen, wenn sie Umgebung jeder ihrer Punkte ist, d.h. wenn zu jedem a∈U ein ε>0 existiert mit Bε(a)⊆U.
Beispiele offener Mengen sind
(i) | offene Intervalle (x,y)⊆R mit X=R und d(x,y)=|x−y| |
(ii) | offene Bälle Br(a)⊆X in (X,d) |
(iii) | die Menge X selbst in (X,d) |
(iv) | die leere Menge ∅ in (X,d) |
9.3.4 Durchschnitt und Vereinigung offener Mengen
Satz: Es sei (X,d) ein metrischer Raum, und es seien U,V⊆X sowie Ui⊆X, i∈I mit irgendeiner Indexmenge I, Teilmengen. Dann sind richtig:
(i) | Sind U und V offen in (X,d), so auch U∩V. |
(ii) | Sind alle Ui, i∈I, offen in (X,d), so auch |
|
(i) | Es sei U∩V≠∅, denn sonst ist die Behauptung nach Paragraph 9.3.3 klar. Wähle ein x∈U∩V beliebig. Da U und V offen sind, existieren ε1>0 und ε2>0 mit |
Bε1(x)⊂U,Bε2(x)⊂V.
Mit ε:=min{ε1,ε2} sind dann auch |
Bε(x)⊂UundBε(x)⊂V,
d.h. Bε(x)⊂U∩V, und U∩V ist offen. | |
(ii) | Es sei Ui≠∅ für alle i∈I. Wähle ein beliebiges |
x∈⋃i∈IUi.
Dann existiert ein i0∈I mit x∈Ui0, und da Ui0 offen ist, gibt es ein ε>0 mit |
Bε(x)⊂Ui0⊂⋃i∈IUi.
Also ist auch die Vereinigung auf der rechten Seite offen. |
Damit ist alles gezeigt.◻
Beispiel: Wir wollen an einem Beispiel verifizieren, dass der Durchschnitt unendlich vieler offener Mengen nicht notwendig offen ist. Betrachte dazu die Mengen Ui:=(−1i,1+1i)⊂R,i=1,2,…, im metrischen Raum (R,|⋅|). Dann gilt ∞⋂i=1Ui=[0,1]⊂R, aber [0,1] ist in (R,|⋅|) nicht offen.
9.3.5 Innere Punkte und Inneres von Mengen
Definition: Es seien (X,d) ein metrischer Raum und U⊆X eine nichtleere Teilmenge. Ein Punkt a∈U heißt innerer Punkt von U in (X,d), wenn es ein ε>0 gibt mit Bε(a)⊆U. Die Menge aller inneren Punkte von U heißt deren Inneres, in Zeichen ˚U.
Bemerkung: Die leere Menge ∅ enthält überhaupt keine Punkte, insbesondere also auch keine inneren Punkte. Wir vereinbaren folgerichtig, dass das Innere der leeren Menge wieder die leere Menge ist: ˚∅:=∅.
Beachten Sie, dass alle diese Begriffe wesentlich abhängen von
∘ | der zu betrachtenden Teilmenge U, |
∘ | der gewählten Metrik d(x,y), |
∘ | und der einbettenden Menge X. |
Auch hierzu ein Beispiel:
(1) | Es ist U=(0,1] in (R,|⋅|) nicht offen. |
(2) | Es ist U=(0,1] in ((−∞,1],|⋅|) offen. |
Aufgabe 9.3.1: (Beispiele offener Einheitsbälle)
Skizzieren Sie die offenen Bälle B1(0):={x=(x1,x2)∈R2:d(x,0)<1}⊂R2 bez. der folgenden drei Metriken d(x,y), x,y∈R2, des R2:
(i) | d1(x,y):=√|x1−y1|2+|x2−y2|2 |
(ii) | d2(x,y):=|x1−y1|+|x2−y2| |
(iii) | d3(x,y):=max{|xi−yi|:i=1,2} |
Aufgaben - Das Hausdorffsche Trennungsaxiom
Aufgabe 9.3.2: (Beispiel zum Hausdorffschen Trennungsaxiom)
Im metrischen Raum (R,|⋅|) mit der gewöhnlichen Abstandsmetrik betrachten wir die Menge Y:={x=1n:n∈N}∪{0}. Verifizieren Sie das Hausdorffsche Trennungsaxiom an einem selbst gewählten Beispiel eines Punktepaares (x,y)∈Y×Y.
Wähle x=1, y=0 und dazu U:={z∈R:|z−1|<14},V:={z∈R:|z|<14}. Dann gilt U∩V=∅.
Aufgabe 9.3.3: (Beispiele offener Mengen I)
Es sei (X,d) ein metrischer Raum. Entscheiden Sie, ob die folgenden Mengen U offen in (X,d) sind. Begründen Sie.
(i) | U=(0,1)⊂R mit X=R und d(x,y):=|x−y| |
(ii) | U=(0,1)⊂R2 mit X=R2 und d(x,y):=‖x−y‖2 |
(i) | Es ist |
U=(0,1)⊂Rin (X,d) mit X=R und d(x,y)=|x−y|
offen, denn mit der Wahl |
ε:=12min{x,1−x}
folgt |
Bε(x)={z∈R:|x−z|<ε}=(x−ε,x+ε)⊂U.
(ii) | Es ist |
U=(0,1)={z=(z1,z2)∈R2:0<z1<1, z2=0}⊂R2in (X,d) mit X=R2 und d(x,y)=‖x−y‖2
nicht offen in (X,d) mit X=R2 und d(x,y)=‖x−y‖2, denn wähle ε>0 beliebig, so existiert stets ein |
y=(y1,y2)∈Bε(x)={z=(z1,z2)∈R2:√(x1−z1)2+(x2−z2)2≤ε}
mit y2≠0 und damit Bε(x)⊄ |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.3.4: (Beispiele offener Mengen II)
Es sei (X,d) ein metrischer Raum. Beweisen Sie, dass folgende Mengen offen sind in (X,d):
(i) | die Menge X selbst in (X,d) |
(ii) | die leere Menge \emptyset in (X,d) |
(i) | Wähle nämlich ein x\in U beliebig. Dann ist sofort |
B_1(x)=\{z\in X\,:\,|x-z|\lt 1\}\subseteq X,
und X ist in (X,d) offen. | |
(ii) | Die leere Menge \emptyset ist in (X,d) offen, da \emptyset keine Elemente besitzt und die für die Offenheit charakteristische Bedingung damit erfüllt ist. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.3.5: (Beispiele offener Mengen III)
Beweisen Sie, dass die Menge U:=\{x=(x_1,x_2)\in\mathbb R^2\,:\,2x_1-x_2+x_1x_2\lt 1\}\subset\mathbb R^2 offen in (\mathbb R^2,d) mit der Metrik d(x,y)=\|x-y\|_2 ist.
(siehe Koliha, J.J., Kapitel 1, Beispiel 1.34)
Wir gehen nach der genannten Literaturquelle vor: Sei nämlich ein x=(x_1,x_2) beliebig gewählt, so dass \beta:=2x_1-x_2+x_1x_2\lt 1. Betrachte ferner ein z=(z_1,z_2)\in B_\varepsilon(x) mit \varepsilon:=\min\left\{1,\frac{1}{2}\cdot\frac{1-\beta}{4+|x_1|+|x_2|}\right\}. Wir setzen \alpha_1:=z_1-x_1 und \alpha_2:=z_2-x_2 und beachten (es ist z\in B_\varepsilon(x) ) \sqrt{\alpha_1^2+\alpha_2^2} =\sqrt{(z_1-x_1)^2+(z_2-x_2)^2} \lt\varepsilon. Damit folgt mit \varepsilon\le 1, also auch \varepsilon^2\le\varepsilon, \begin{array}{l} 2z_1-z_2+z_1z_2 \\ \qquad =2(x_1+\alpha_1)-(x_2+\alpha_2)+(x_1+\alpha_1)(x_2+\alpha_2) \\ \qquad =(2x_1-x_2+x_1x_2)+2\alpha_1-\alpha_2+\alpha_1\alpha_2+\alpha_1x_2+\alpha_2x_1 \\ \qquad =\beta+2\alpha_1-\alpha_2+\alpha_1\alpha_2+\alpha_1x_2+\alpha_2x_1 \\ \qquad \le\beta+2|\alpha_1|+|\alpha_2|+|\alpha_1||\alpha_2|+|\alpha_1||x_2|+|\alpha_2||x_1| \\ \qquad \le\beta+2\varepsilon+\varepsilon+\varepsilon^2+\varepsilon|x_1|+\varepsilon|x_2| \\ \qquad \le\beta+2\varepsilon+\varepsilon+\varepsilon+\varepsilon|x_1|+\varepsilon|x_2| \\ \qquad =\beta+(4+|x_1|+|x_2|)\varepsilon \end{array} nach Setzung von \varepsilon. Es folgt z\in B_\varepsilon(x)\cap U, und da z beliebig gewählt wurde, folgt B_\varepsilon(x)\subset U. Also ist U offen. \qquad\Box
Aufgabe 9.3.6: (Offene Bälle sind offen)
Es seien (X,d) ein metrischer Raum und B_r(a):=\{x\in X\,:\,d(x,a)\lt r\}\subseteq X ein offener Ball in X mit a\in X und r\gt 0. Beweisen Sie, dass B_r(a) in (X,d) offen ist.
Wähle ein x\in B_r(a) beliebig. Im Fall x=a gilt B_r(x)\subseteq B_r(a), und es verbleibt nichts mehr zu zeigen. Sei also x\not=a. Setze d:=\min\{d(a,x),r-d(a,x)\}\gt 0. Dann ist B_d(x)\subset B_r(a). Denn im Fall d=d(a,x) ermitteln wir für beliebiges y\in B_d(x) mit der Dreiecksungleichung \begin{array}{lll} d(a,y)\negthickspace & \le & \negthickspace d(a,x)+d(x,y) \,=\,d+d(x,y) \,\lt\,d+d \\ & \le & \negthickspace d+r-d(a,x) \,=\,d+r-d \,=\,r. \end{array} Ist aber d=r-d(a,x) und damit auch d\ge d(a,x), so ist analog d(a,y)\le d(a,x)+d(x,y)\lt d(a,x)+d=r-d+d=r. In jedem Fall gilt B_d(x)\subseteq B_r(a), und da x\in B_r(a) beliebig war, folgt die Behauptung. \qquad\Box
Aufgabe 9.3.7: (Teilmengen diskreter metrischer Räume sind offen)
Beweisen Sie: In einem metrischen Raum (X,d) mit der diskreten Metrik d(x,y) ist jede Teilmenge von X offen in (X,d).
Sei U\subseteq X. Im Fall U\not=\emptyset ist die Behauptung klar nach Aufgabe 9.3.4. Sei also ein x\in U beliebig gewählt. Dann ist insbesondere B_1(x)=\{z\in X\,:\,d(x,z)\lt 1\}=\{x\}\subseteq U nach Definition der diskreten Metrik, und daher ist U offen in (X,d).\qquad\Box
Aufgabe 9.3.8: (Äquivalenz von Metriken)
Auf der Menge \mathbb R^n betrachten wir die drei verschiedenen Metriken \begin{array}{l} \displaystyle d(x,y):=|x-y|=\sqrt{\sum_{i=1}^n(x_i-y_i)^2}\,, \\ \sigma(x,y):=\displaystyle\max_{1\le i\le n}|x_i-y_i|,\quad \varrho(x,y):=\sum_{i=1}^n|x_i-y_i|. \end{array} Es bezeichnen B_r^d(x), B_r^\sigma(x) und B_r^\varrho(x) die offenen Bälle um x\in\mathbb R^n mit Radius r bez. diesen Metriken d, \sigma bzw. \varrho, also B_r^d(x):=\big\{y\in\mathbb R^n\,:\,d(x,y)\lt r\big\}\quad\mbox{usw.} Finden Sie nur von n abhängige Konstanten c_1, c_2, c_3 und c_4, so dass gelten \begin{array}{l} B_{c_1r}^\varrho(x)\subset B_r^d(x)\subset B_{c_2r}^\sigma(x) \quad\mbox{sowie}\quad B_{c_3r}^\sigma(x)\subset B_r^d(x)\subset B_{c_4r}^\varrho(x). \end{array}
Wir benutzen unsere Ergebnisse aus den Aufgaben 9.2.10, 9.2.11 und 9.2.12, nälich \begin{array}{l} \displaystyle \frac{1}{n}\,\|x\|_1\le\|x\|_\infty\le\|x\|_1\,, \\ \displaystyle \frac{1}{\sqrt{n}}\,\|x\|_2\le\|x\|_\infty\le\|x\|_2\,, \\ \displaystyle \frac{1}{\sqrt{n}}\,\|x\|_1\le\|x\|_2\le\|x\|_1\,. \end{array}
\circ | Wähle ein y\in B_r^\sigma(x), d.h. \|x-y\|_\infty\lt r, dann folgt nach Aufgabe 9.2.10 |
\frac{1}{n}\,\|x-y\|_1\lt r \quad\mbox{bzw.}\quad \|x-y\|_1\lt nr \quad\mbox{bzw.}\quad y\in B_{nr}^\varrho(x),
d.h. es gilt |
B_r^\sigma(x)\subset B_{nr}^\varrho(x).
Wähle nun ein y\in B_\varrho^\sigma(x), d.h. \|x-y\|_1\lt r, dann folgt nach Aufgabe 9.2.10 |
\|x-y\|_\infty\lt r \quad\mbox{bzw.}\quad y\in B_r^\sigma(x),
d.h. es gilt |
B_r^\varrho(x)\subset B_r^\sigma(x).
\circ | Wähle ein y\in B_r^\sigma(x), d.h. \|x-y\|_\infty\lt r, dann folgt nach Aufgabe 9.2.11 |
\frac{1}{\sqrt{n}}\,\|x-y\|_2\lt r \quad\mbox{bzw.}\quad \|x-y\|_2\lt\sqrt{n}\,r \quad\mbox{bzw.}\quad y\in B_{\sqrt{n}r}^d(x),
d.h. es gilt |
B_r^\sigma(x)\subset B_{\sqrt{n}r}^d(x).
Wähle nun ein y\in B_r^d(x), d.h. \|x-y\|_2\lt r, dann folgt nach Aufgabe 9.2.11 |
\|x-y\|_\sigma\lt r \quad\mbox{bzw.}\quad y\in B_r^\sigma(x),
d.h. es gilt |
B_r^d(x)\subset B_r^\sigma(x).
\circ | Wähle ein y\in B_r^d(x), d.h. \|x-y\|_2\lt r, dann folgt nach Aufgabe 9.2.12 |
\frac{1}{\sqrt{n}}\,\|x-y\|_1\lt r \quad\mbox{bzw.}\quad \|x-y\|_1\lt\sqrt{n}\,r \quad\mbox{bzw.}\quad y\in B_{\sqrt{n}r}^\varrho(x),
d.h. es gilt |
B_r^d(x)\subset B_{\sqrt{n}r}^\varrho(x).
Wähle nun ein y\in B_r^\varrho(x), d.h. \|x-y\|_1\lt r, dann folgt nach Aufgabe 9.2.12 |
\|x-y\|_2\lt r \quad\mbox{bzw.}\quad y\in B_r^d(x),
d.h. es gilt |
B_r^\varrho(x)\subset B_r^d(x). Setzen wir also c_1(n):=1,\quad c_2(n):=1,\quad c_3(n):=\frac{1}{\sqrt{n}}\,,\quad c_4(n):=\sqrt{n}\,, so ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgaben - Durchschnitt und Vereinigung offener Mengen
Aufgabe 9.3.9: (Die Vereinigung an zwei Beispielen)
Stellen Sie folgende Mengen U\subset\mathbb R als endliche oder unendliche Vereinigung offener Mengen dar, und begründen Sie auf diese Weise unter Benutzung des Satzes aus Paragraph 9.3.4 die Offenheit dieser Mengen in (\mathbb R,|\cdot|).
(i) | U=(-1,1)\setminus\{0\} |
(ii) | U=(-3,3)\setminus\{[-2,-1]\cup[1,2]\} |
(i) | Es ist |
U=(-1,1)\setminus\{0\}=(-1,0)\cup(0,1).
Beide Mengen (-1,0) und (0,1) sind in (\mathbb R,|\cdot|) offen (vgl. Aufgabe 9.3.3), und daher ist auch U als Vereinigung dieser beiden Mengen offen. | |
(i) | Es ist |
U=(-3,3)\setminus\{[-2,-1]\cup[1,2]\}=(-3,-2)\cup(-1,1)\cup(2,3).
Die drei Mengen (-3,-2), (-1,1) und (2,3) sind in (\mathbb R,|\cdot|) offen (vgl. Aufgabe 9.3.3), und daher ist auch U als Vereinigung dieser drei Mengen offen. |
Aufgabe 9.3.10: (Durchschnitt endlich vieler offener Mengen)
Es sei n\in\mathbb N eine beliebige natürliche Zahl. Ferner seien U_1,\ldots,U_n\subset X offen im metrischen Raum (X,d). Beweisen Sie, dass dann auch offen ist U:=\bigcap_{i=1}^nU_i\,.
Die Aussage ist zunächst für n=1 klar, denn U_1 ist nach Voraussetzung offen. Nach dem Satz aus Paragraph 9.3.4 ist auch U_1\cap U_2 offen. Wir nehmen nun an, es sei V:=U_1\cap U_2\cap\ldots\cap U_{n-1} offen für beliebiges n\in\mathbb N mit n\ge 2. Dann ist nach dem genannten Satz auch V\cap U_n offen. Die Behauptung folgt aus dem Prinzip der vollständigen Induktion. \qquad\Box
Aufgaben - Innere Punkte und Inneres von Mengen
Aufgabe 9.3.11: (Innere Punkte von Intervallen)
Bestimmen Sie das Innere \mathring U der folgenden Teilmengen U\subset\mathbb R des metrischen Raumes (\mathbb R,|\cdot|) mit der gewöhnlichen Abstandsmetrik, und entscheiden Sie, ob die Mengen offen sind.
(i) | U=[0,1] | (ii) | U=[0,1) | (iii) | U=(0,1) |
(i) | Es ist \mathring U=(0,1). Insbesondere sind x=0 und x=1 keine inneren Punkte von U, denn zu jedem \varepsilon\gt 0 existieren Punkte y\in\mathbb R bzw. z\in\mathbb R, zum Beispiel y=-1 und z=2 für \varepsilon=2, mit |
\begin{array}{l} y\in B_\varepsilon(0),\quad\mbox{aber}\ y\not\in[0,1], \\ z\in B_\varepsilon(1),\quad\mbox{aber}\ z\not\in[0,1]. \end{array}
Also ist U nicht offen in (\mathbb R,|\cdot|). | |
(ii) | Es ist \mathring U=(0,1). Insbesondere ist x=0 kein innerer Punkt von U, denn zu jedem \varepsilon\gt 0 existiert ein Punkt y\in\mathbb R, zum Beispiel y=-1 für \varepsilon=2, mit |
y\in B_\varepsilon(0),\quad\mbox{aber}\ y\not\in[0,1].
Also ist U nicht offen in (\mathbb R,|\cdot|). | |
(iii) | Es ist \mathring U=(0,1). Nach Aufgabe 9.3.3 ist U offen. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.3.12: (Innere Punkte ebener Mengen)
Skizzieren Sie die folgenden Teilmengen U\subset\mathbb R^2 des Euklidischen Raumes (\mathbb R^2,\|\cdot\|_2), und bestimmen Sie deren Inneres \mathring U.
(i) | U=\{(x,y)\in\mathbb R^2\,:\,x^2+y^2\le 1\} |
(ii) | U=\{(x,y)\in\mathbb R^2\,:\,|x|+|y|\le 1\} |
(i) | Es ist |
\mathring U=\{(x,y)\in\mathbb R^2\,:\,x^2+y^2\lt 1\}
die offene Kreisscheibe vom Radius R=1, siehe auch Aufgabe 9.3.1. | |
(ii) | Es handelt sich um diejenige Menge, welche berandet wird von den Geradensegmenten |
\begin{array}{ll} y=1-x & \mbox{für}\ x\in[0,1], \\ y=1+x & \mbox{für}\ x\in[-1,0], \\ y=-1-x & \mbox{für}\ x\in[-1,0], \\ y=-1+x & \mbox{für}\ x\in[0,1], \end{array}
also genauer um das Quadrat mit den Eckpunkten (-1,0), (0,1), (1,0) und (0,-1) und diesen Geradensegmenten also Seiten. Dieses Quadrat weniger die Geradensegmente (einschließlich Eckpunkte) ergibt die Menge \mathring U, siehe auch Aufgabe 9.3.1. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.3.13: (Inneres der rationalen und irrationalen Zahlen)
Bestimmen Sie die inneren Punkte und das Innere \mathring U der folgenden Teilmengen U\subset\mathbb R des Raumes (\mathbb R,|\cdot|) mit der gewöhnlichen Abstandsmetrik, und entscheiden Sie, ob die Mengen offen sind.
(i) | U=[0,1]\cap\mathbb Q | (ii) | U=[0,1]\setminus\mathbb Q |
(i) | Die Menge U=[0,1]\cap\mathbb Q besitzt in (\mathbb R,|\cdot|) keine inneren Punkte, denn für jedes x\in U und jedes \varepsilon\gt 0 finden wir auf Grund der Dichtheit der rationalen und der irrationalen Zahlen in \mathbb R ein irrationales z\in[0,1]\setminus U mit z\in B_\varepsilon(x). Es ist also \mathring U=\emptyset. Die Menge U ist in (\mathbb R,|\cdot|) nicht offen. |
(ii) | Die Menge U=[0,1]\setminus\mathbb Q besitzt in (\mathbb R,|\cdot|) keine inneren Punkte, denn für jedes x\in U und jedes \varepsilon\gt 0 finden wir auf Grund der Dichtheit der rationalen und der irrationalen Zahlen in \mathbb R ein rationales z\in[0,1]\setminus U mit z\in B_\varepsilon(x). Es ist also \mathring U=\emptyset. Die Menge U ist in (\mathbb R,|\cdot|) nicht offen. |
Aufgabe 9.3.14: (Innere Punkte und Inneres diskreter Mengen)
Wir betrachten die Menge X=\{1,2,3\}, zusammen mit der diskreten Metrik d(x,y), x,y\in X. Bestimmen Sie die Menge der inneren Punkte von X sowie ihr Inneres.
Es ist jeder Punkt 1,2,3\in X innerer Punkt von X in der diskreten Metrik. Es ist nämlich beispielsweise B_1(1)=\{z\in X\,:\,d(1,z)\lt 1\}=\{1\}\subset X, und analog gelten B_1(2)\subset X und B_1(3)\subset X, siehe Aufgabe 9.3.7. Es gilt also X=\mathring X.\qquad\Box
Aufgabe 9.3.15: (Das Innere als Vereinigung)
Es sei U\subseteq X eine Teilmenge des metrischen Raumes (X,d). Beweisen Sie: Das Innere \mathring U ist die Vereinigung aller in U enthaltenen offenen Teilmengen.
Wir setzen W:=\bigcup_{V\subseteq U,\ V\ \mbox{offen}}V und gehen in zwei Schritten vor.
1. | Zunächst zeigen wir \mathring U\subseteq W. Wähle nämlich ein x\in\mathring U beliebig, so existiert ein \varepsilon\gt 0 mit B_\varepsilon(x)\subseteq\mathring U. Da aber B_\varepsilon(x) nach Aufgabe 9.3.6 selbst offen ist, d.h. es ist B_\varepsilon(x)\subseteq W, und es folgt x\in W und damit \mathring U\subseteq W. |
2. | Wir zeigen nun W\subseteq\mathring U. Wähle nämlich ein x\in W beliebig, so gibt es eine offene Teilmenge V\subseteq U mit x\in V. Wegen der Offenheit von V existiert aber ein \varepsilon\gt 0 mit B_\varepsilon(x)\subseteq V, also auch B_\varepsilon(x)\subseteq U bzw. x\in\mathring U und damit W\subseteq\mathring U. |
Beide Beweispunkte zusammengefasst ergeben W=\mathring U. Das war zu beweisen. \qquad\Box
1. | Wie ist der offene Ball B_r(x) im metrischen Raum (X,d) definiert? |
2. | Was versteht man unter einer (offenen) Umgebung U\subseteq X eines Punktes x\in X? |
3. | Wie lautet das Hausdorffsche Trennungsaxiom? |
4. | Wann heißt eine Teilmenge U\subseteq X eines metrischen Raumes (X,d) offen? |
5. | Was können Sie über Durchschnitt und Vereinigung offener Mengen aussagen? |
6. | Was versteht man unter einem inneren Punkt und dem Inneren einer Menge? |
9.4.1 Definition abgeschlossener Mengen
Auf dem Begriff der offenen Menge baut nun der Begriff der abgeschlossenen Menge auf.
Definition: Es seien (X,d) ein metrischer Raum. Eine Teilmenge U\subseteq X heißt abgeschlossen, wenn ihr Komplement X\setminus U offen ist.
Beispiele abgeschlossener Mengen sind
(i) | das abgeschlossene Intervall [x,y]\subset\mathbb R mit X=\mathbb R und d(x,y)=|x-y| |
(ii) | der abgeschlossene Einheitsball \{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2\le 1\} in (\mathbb R^n,\|x-y\|_2) |
(iii) | die Menge X selbst in (X,d) |
(iv) | die leere Menge \emptyset in (X,d) |
Bemerkungen: Es sei (X,d) ein metrischer Raum.
\circ | Die leere Menge \emptyset ist in (X,d) offen und abgeschlossen. |
\circ | X selbst ist in (X,d) offen und abgeschlossen. |
\circ | Eine nicht offene Menge ist nicht notwendig abgeschlossen. |
9.4.2 Durchschnitt und Vereinigung abgeschlossener Mengen
Satz: Es sei (X,d) ein metrischer Raum, und es seien U,V\subseteq X sowie U_i\subseteq X, i\in I mit einer beliebigen Indexmenge I, Teilmengen. Dann sind richtig:
(i) | Sind U und V in (X,d) abgeschlossen, so auch U\cup V. |
(ii) | Sind alle U_i, i\in I, abgeschlossen in (X,d), so auch |
\bigcap_{i\in I}U_i\,.
Vergleichen Sie diese Aussage mit der entsprechenden Aussage aus Paragraph 9.3.4 über den Durchschnitt und der Vereinigung offener Mengen.
Unser obiger Umgebungsbegriff erlaubt nun die
Definition: Es seien (X,d) ein metrischer Raum und U\subseteq X eine nichtleere Teilmenge. Ein Punkt a\in X heißt Randpunkt von U, falls in jeder Umgebung von a\in X sowohl ein Punkt von U als auch ein Punkt von X\setminus U liegt. Die Menge aller Randpunkte von U heißt ihr Rand \partial U.
Bemerkung: Auch hier vereinbaren wir nachträglich \partial\emptyset:=\emptyset.
Mit dem folgenden Satz führen wir unsere bisherigen Begriffe offener und abgeschlossener Mengen und ihrer Randpunkte zusammen:
Satz: Es seien (X,d) ein metrischer Raum und U\subseteq X eine Teilmenge. Dann sind richtig:
(i) | Es ist U\setminus\partial U offen in (X,d). |
(ii) | Es ist U\cup\partial U abgeschlossen in (X,d). |
(iii) | Es ist \partial U abgeschlossen in (X,d). |
Definition: Als den topologischen Abschluss von U bezeichnen wir schließlich den Ausdruck \overline U:=U\cup\partial U.
Aufgaben - Definition abgeschlossener Mengen
Aufgabe 9.4.1: (Beispiele abgeschlossener Mengen I)
Es sei (X,d) ein metrischer Raum. Entscheiden Sie, ob die folgenden Mengen U abgeschlossen in (X,d) sind. Begründen Sie.
(i) | U=[0,1]\subset\mathbb R mit X=\mathbb R und d(x,y):=|x-y| |
(ii) | U=[0,1]\subset\mathbb R^2 mit X=\mathbb R^2 und d(x,y):=\|x-y\|_2 |
(i) | Es ist \mathbb R\setminus[0,1]=(-\infty,0)\cup(1,\infty). Wie in Aufgabe 9.3.3 zeigt man, dass (-\infty,0) und (1,\infty) offen sind, und nach dem Satz aus Paragraph 9.3.4 ist auch deren Vereinigung offen. Also ist [0,1]\subset\mathbb R in (R,|\cdot|) abgeschlossen. |
(ii) | Wähle ein x\in\mathbb R^2\setminus[0,1] beliebig. Setze |
\begin{array}{ll} \displaystyle \delta(x):=\frac{|x_2|}{2}\,, & \mbox{falls}\ 0\le x_1\le 1, \\ \displaystyle \delta(x):=\frac{1}{2}\,(x_1-1), & \mbox{falls}\ x_1\gt 1, \\ \displaystyle \delta(x):=\frac{|x_1|}{2}\,, & \mbox{falls}\ x_1\lt 1, \end{array}
so dass B_{\delta(x)}(x)\subset\mathbb R\setminus[0,1]. Daher ist \mathbb R\setminus[0,1] offen und [0,1] abgeschlossen in (\mathbb R^2,\|\cdot\|_2). |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.4.2: (Beispiele abgeschlossener Mengen II)
Es sei (X,d) ein metrischer Raum. Beweisen Sie, dass folgende Mengen abgeschlossen sind in (X,d):
(i) | die Menge X selbst in (X,d) |
(ii) | die leere Menge \emptyset in (X,d) |
Zusammen mit Aufgabe 9.3.4 bedeutet das, dass X selbst und die leere Menge \emptyset offen und abgeschlossen in (X,d) sind.
(i) | Es ist X\setminus X=\emptyset offen nach Aufgabe 9.3.4, d.h. X ist in (X,d) abgeschlossen. |
(ii) | Es X\setminus\emptyset=X, und da X in (X,d) nach Aufgabe 9.3.4 offen ist, ist \emptyset abgeschlossen. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.4.3: (Teilmengen diskreter metrischer Räume sind abgeschlossen)
Beweisen Sie: In einem metrischen Raum (X,d) mit der diskreten Metrik d(x,y) ist jede Teilmenge Y\subseteq X abgeschlossen in (X,d). Zusammen mit Aufgabe 9.3.7 bedeutet das, dass jede Teilmenge des diskreten Raumes offen und abgeschlossen ist.
Im Fall X\setminus Y=\emptyset ist nach Aufgabe 9.4.2 die Behauptung klar. Sei also X\setminus Y\not=\emptyset. Wähle ein x\in X\setminus Y beliebig. Dann gilt B_\frac{1}{2}(x) =\left\{z\in X\,:\,|x-z|\lt\frac{1}{2}\right\} =\{x\} \subseteq X\setminus Y. Daher ist X\setminus Y offen und Y\subseteq X abgeschlossen. \qquad\Box
Aufgaben - Durchschnitt und Vereinigung abgeschlossener Mengen
Aufgabe 9.4.4: (Ein Beispiel zum Verständnis)
Mit der gewöhnlichen Abstandsmetrik d(x,y)=|x-y| in \mathbb R betrachten wir die metrischen Räume \begin{array}{l} (X,d)\quad\mbox{mit}\quad X=\mathbb R, \\ (X^*,d)\quad\mbox{mit}\quad X^*=[0,1)\cup[2,3]. \end{array} Beweisen Sie:
(i) | [0,1) ist abgeschlossen in (X^*,d), aber nicht in (X,d). |
(ii) | [0,1) ist offen in (X^*,d), aber nicht in (X,d). |
(iii) | [2,3] ist abgeschlossen in (X,d) und auch in (X^*,d). |
(iv) | [2,3] ist offen in (X^*,d), aber nicht in (X,d). |
(i) | Es ist [0,1) nicht abgeschlossen in (X,d), da |
X\setminus[0,1) =\mathbb R\setminus[0,1) =(-\infty,0)\cup[1,\infty),
und [1,\infty) ist nicht offen in (X,d), da 1 kein innerer Punkt ist, denn jeder offene Ball B_\varepsilon(1) enthält Punkte x\in(1-\varepsilon,1+\varepsilon) mit x\not\in[1,\infty). Es ist aber [0,1) abgeschlossen in (X^*,d), denn |
X^*\setminus[0,1) =\big\{[0,1)\cup[2,3]\big\}\setminus[0,1) =[2,3],
und [2,3] ist in (X^*,d) offen. Zum Nachweis betrachten wir nur den Punkt 2: |
B_\frac{1}{2}(2) =\left\{x\in X^*\,:\,|x-2|\lt\frac{1}{2}\right\} =\left(\frac{3}{2},\frac{5}{2}\right)\cap X^* =\left[2,\frac{5}{2}\right) \subset[2,3] \subset X^*\,.
Die Nachweise für die anderen Punkte erfolgen analog. | |
(ii) | Es ist [0,1) nicht offen in (X,d), denn es gilt |
B_\varepsilon(0)\cap X=B_\varepsilon(0)\cap\mathbb R=(-\varepsilon,\varepsilon)\not\subset[0,1)
für alle \varepsilon\gt 0. Es ist aber [0,1) offen in (X^*,d). Es genügt, den Punkt 0 zu betrachten: |
B_\frac{1}{2}(0) =\left\{x\in X^*\,:\,|x|\lt\frac{1}{2}\right\} =\left(-\frac{1}{2}\,,\frac{1}{2}\right)\cap X^* =\left[0,\frac{1}{2}\right) \subset[0,1) \subset X^*.
Der Nachweise für alle anderen Punkte erfolgen analog. | |
(iii) | Es ist [2,3) abgeschlossen in (X,d), da |
X\setminus[2,3] =\mathbb R\setminus[2,3] =(-\infty,2)\cup(3,\infty)
offen in (X,d) ist. Es ist [2,3] auch abgeschlossen in (X^*,d), denn |
Y\setminus[2,3]=[0,1),
und nach Aufgabenteil (ii) ist [0,1) offen in (X^*,d). | |
(iv) | Beide Behauptungen zu zeigen wie in (ii). |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.4.5: (Durchschnitt und Vereinigung abgeschlossener Mengen)
Es sei (X,d) ein metrischer Raum, und es seien U,V\subseteq X und U_i\subseteq X, i\in I mit einer beliebigen Indexmenge I, Teilmengen. Beweisen Sie unter Verwendung der de Morganschen Regeln die Richtigkeit der folgenden Aussagen.
(i) | Sind U und V abgeschlossen in (X,d), so auch U\cup V. |
(ii) | Sind alle U_i, i\in I, abgeschlossen, so auch |
\bigcap_{i\in I}U_i\,.
Die Behauptungen sind klar im Fall leerer Teilmengen. Wir betrachten also nur nichtleere Teilmengen.
(i) | Unter Verwendung der de Morganschen Regel der Mengenlehre (Analysis 1, Paragraph 1.2.3) haben wir zunächst |
X\setminus(U\cup V) =(X\setminus U)\cap(X\setminus V).
Da U und V nach Voraussetzung abgeschlossen sind, sind X\setminus U und X\setminus V offen, und nach Paragraph 9.3.4 ist auch deren Schnitt offen. Also ist U\cup V abgeschlossen. | |
(ii) | Wir überzeugen uns zunächst von der Gültigkeit der Regel |
\left(\bigcap_{i\in I}U_i\right)^c=\bigcup_{i\in I}U_i^c
für beliebige Indexmengen I (für endliche Indexmengen kennen wir diese Regel aus der Analysis 1). | |||||
|
|||||
Wir haben damit gezeigt |
\left(\bigcap_{i\in I}U_i\right)^c\subseteq\bigcup_{i\in I}U_i^c \quad\mbox{und}\quad \bigcup_{i\in I}U_i^c\subseteq\left(\bigcap_{i\in I}U_i\right)^c\,, \quad\mbox{also}\quad \left(\bigcap_{i\in I}U_i\right)^c=\bigcup_{i\in I}U_i^c\,.
Da die nun U_i abgeschlossen sind für alle i\in I, sind sämtliche U_i^c offen in (X,d), und nach Paragraph 9.3.4 ist auch \displaystyle\bigcup_{i\in I}U_i^c offen. Obige de Morgansche Regel sichert dann die Offenheit von \displaystyle\left(\bigcap_{i\in I}U_i\right)^c, d.h. \displaystyle\bigcap_{i\in I}U_i ist abgeschlossen. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgaben - Randpunkte und Rand
Aufgabe 9.4.6: (Ein erstes Beispiel)
Wir betrachten den metrischen Raum (\mathbb R,d) mit der Abstandsmetrik d(x,y)=|x-y|, und hierin die Teilmenge U:=(0,1]\subset\mathbb R. Bestimmen Sie \mathring U,\quad \partial U,\quad \overline U.
\circ | Es ist \mathring U=(0,1). |
\circ | Es ist \partial U=\{0,1\}. |
\circ | Es ist \overline U=[0,1]. |
Damit sind alle gefragten Größen bestimmt. \qquad\Box
Aufgabe 9.4.7: (Rand und inneres abgeschlossener Kugeln)
Es seien n\in\mathbb N und r\gt 0 eine reelle Zahl. Betrachten Sie die Menge K_r:=\{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2\le r\}\,. Bestimmen Sie \partial K_r und \mathring K_r in (X,d) mit d(x,y):=\|x-y\|_2. Verifizieren Sie K_r=\mathring K_r\cup\partial K_r\,.
\circ | Es ist \partial K_r=\{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2=r\}. |
\circ | Es ist \mathring K_r=\{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2\lt r\}. |
\circ | Wir verifizieren |
\begin{array}{lll} \mathring K_r\cup\partial K_r\negthickspace & = & \displaystyle\negthickspace \{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2\lt r\}\cup\{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2=r\} \\ & = & \displaystyle\negthickspace \{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2\le r\} \,=\,K_r\,. \end{array} Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.4.8: (Rand und Inneres einer Zahlenfolge)
Wir betrachten den metrischen Raum (\mathbb R,d) mit der Abstandsmetrik d(x,y)=|x-y|, und hierin die Teilmenge U:=\left\{\frac{1}{n}\,:\,n\in\mathbb N\right\}\subset\mathbb R. Bestimmen Sie \mathring U,\quad \partial U,\quad \overline U.
\circ | Die Menge besitzt keine inneren Punkte, d.h. es ist \mathring U=\emptyset. |
\circ | Es gilt \partial U=U\cup\{0\}. |
\circ | Es gilt \overline U=U\cup\{0\}. |
Damit sind alle gefragten Größen bestimmt. \qquad\Box
Aufgabe 9.4.9: (Eigenschaften des Randoperators)
Es seien (X,d) ein metrischer Raum und U\subseteq X eine Teilmenge. Beweisen Sie, dass dann gelten:
(i) | Es ist U\setminus\partial U offen in (X,d). |
(ii) | Es ist U\cup\partial U abgeschlossen in (X,d). |
(iii) | Es ist \partial U abgeschlossen in (X,d). |
Die Behauptungen sind klar im Fall U=\emptyset. Sei also U\not=\emptyset.
(i) | Es sei x\in U, aber x\not\in\partial U. Dann existiert ein \varepsilon\gt 0, so dass der offene Ball B_\varepsilon(x) kein z\in U^c enthält. Denn andernfalls existiert zu jedem \varepsilon\gt 0 ein z\in U^c, und es wäre x\in\partial U nach Definition von \partial U. Also gilt B_\varepsilon(x)\subseteq U, und es ist U offen. | ||||
(ii) | Betrachte die Komplementmenge Z:=X\setminus(U\cup\partial U) und wähle ein x\in Z beliebig. Dann existiert ein \varepsilon\gt 0 mit B_\varepsilon(x)\subseteq Z. Angenommen nämlich, für alle \varepsilon\gt 0 existiert ein y\in U\cup\partial U mit y\in B_\varepsilon(x). Wir zeigen, dass dann auch für jedes \varepsilon\gt 0 ein z\in U existiert mit z\in B_\varepsilon(x), und es würde x\in\partial U folgen im Widerspruch zur Annahme x\in Z. | ||||
|
|||||
In jedem Fall existiert daher ein z\in U, d.h. es ist x\in\partial U im Widerspruch zur Annahme x\in Z. | |||||
(iii) | Wir dürfen z:=X\setminus\partial U\not=\emptyset annehmen, denn sonst ist nichts zu zeigen. Wähle also ein x\in Z beliebig. Dann existiert ein \varepsilon\gt 0 mit B_\varepsilon(x)\subseteq Z. Angenommen nämlich, für alle \varepsilon\gt 0 existiert ein y\in\partial U. Da B_\varepsilon(x) offen ist, existiert ein B_{\varepsilon'}(y)\subseteq B_\varepsilon(x), und nach Definition des Randes \partial U existiert ein y'\in B_{\varepsilon'}(y) mit y'\in U. Das bedeutet aber x\in\partial U im Widerspruch zu x\not\in\partial U. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
1. | Wann heißt eine Teilmenge U\subseteq X eines metrischen Raumes (X,d) abgeschlossen? |
2. | Was können Sie über Durchschnitt und Vereinigung abgeschlossener Mengen aussagen? |
3. | Wann heißt ein Punkt a\in X Randpunkt einer Teilmenge U\subseteq X? |
4. | Was versteht man unter dem Rand einer Teilmenge \( U\subseteq X? |
9.5.1 Definition topologischer Räume
Um uns schließlich vom Begriff der Metrik zu lösen, kommen wir zur
Definition: Es sei X eine Menge. Ein System T von Teilmengen von X heißt eine Topologie auf X, falls gelten:
(T1) | Es sind \emptyset\in T und X\in T. |
(T2) | Sind U,V\in T, so ist auch U\cap V\in T. |
(T3) | Sind U_i\in T für alle i\in I mit einer beliebigen Indexmenge I, so ist auch |
|
Das Paar (X,T) heißt dann ein topologischer Raum.
Das System der offenen Mengen eines metrischen Raumes bildet eine Topologie. Metrische Räume ordnen sich daher topologischen Räumen unter.
9.5.2 Offene und abgeschlossene Mengen
Eine Teilmenge U\subseteq X eines topologischen Raumes (X,T) heißt
\circ | offen, wenn gilt U\in T; |
\circ | abgeschlossen, wenn X\setminus U offen ist. |
Ist a\in X ein beliebiger Punkt, so heißt
\circ | V\subseteq X eine Umgebung von a, |
falls es eine offene Menge U\subseteq X gibt mit a\in U\subseteq V.
Existieren zu beliebigen x,y\in X disjunkte Umgebungen U\subset X von x und V\subset X von y, d.h. lassen sich x und y trennen, so heißt (X,T) ein Hausdorffraum.
Aufgaben - Definition topologischer Räume
Aufgabe 9.5.1: (Eine Topologie über den reellen Zahlen)
Beweisen Sie: Das System aller offenen Mengen eines metrischen Raumes (X,d) bildet eine Topologie.
Es sei T:=\{U\subseteq X\,:\,U\ \mbox{ist offen in}\ (X,d)\}\,. Wir zeigen, dass (X,T) ein topologischer Raum ist.
\circ | Es gilt (T1), denn es sind \emptyset\in T und X\in T nach Aufgabe 9.3.4. |
\circ | Es gilt (T2) nach Paragraph 9.3.4. |
\circ | Es gilt (T3) nach Paragraph 9.3.4. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.5.2: (Die diskrete Topologie)
Es sei X eine nichtleere Menge. Wir setzen T:={\mathcal P}(X) mit der Potenzmenge {\mathcal P}(X) von X. Beweisen Sie, dass (X,T) ein topologischer Raum ist.
Hier ist jede Teilmenge von X offen.
\circ | Es gilt (T1), denn es sind \emptyset\in T und X\in T, da \emptyset\in{\mathcal P}(X) und X\in{\mathcal P}(X). |
\circ | Es gilt (T2), denn sind U,V\in T, so auch U\cap V, da U\cap V\in{\mathcal P}(X). |
\circ | Es gilt (T3), denn sind U_i\in T für i\in I mit einer beliebigen Indexmenge I, so auch \displaystyle\bigcup_{i\in I}U_i. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.5.3: (Die indiskrete Topologie)
Es sei X eine nichtleere Menge. Wir setzen T:=\{\emptyset,X\}\,. Beweisen Sie, dass (X,T) ein topologischer Raum ist.
Hier sind nur die leere Menge \emptyset und die Menge X selbst offen.
\circ | Es gilt (T1), denn nach Voraussetzung sind \emptyset\in T und X\in T. |
\circ | Es gilt (T2), denn sind U,V\in T, so ist U\cap V=\emptyset oder U\cap V=X, d.h. U\cap V\in T. |
\circ | Es gilt (T3). Sind nämlich U_i\in T für i\in I mit einer beliebigen Indexmenge I, so gilt auch für deren Vereinigung |
\bigcup_{i\in I}U_i=\emptyset\in T \quad\mbox{oder}\quad \bigcup_{i\in I}U_i=X\in T. Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgabe 9.5.4: (Der Sierpinskiraum)
Es seien X=\{0,1\} und T=\{\emptyset,X,\{1\}\}. Beweisen Sie, dass (X,T) ein topologischer Raum ist.
Es besteht T aus den drei Elementen \emptyset, X und \{1\}, wie wir wie folgt einsehen:
\circ | Es gilt (T1), denn es sind \emptyset\in T und X\in T. |
\circ | Es gilt (T2), denn es sind |
\begin{array}{l} \emptyset\cap\emptyset=\emptyset\in T,\quad\emptyset\cap X=\emptyset\in T,\quad \emptyset\cap\{1\}=\emptyset\in T, \\ X\cap X=X\in T,\quad X\cap\{1\}=\{1\}\in T,\quad \{1\}\cap\{1\}=\{1\}\in T. \end{array}
\circ | Es gilt (T3), denn es sind |
\begin{array}{l} \emptyset\in T,\quad X\in T,\quad \emptyset\in T, \\ \emptyset\cup\emptyset=\emptyset\in T,\quad \emptyset\cup X=X\in T,\quad \emptyset\cup\{1\}=\{1\}\in T, \\ X\cup X=X\in T,\quad X\cup\{1\}=X\in T,\quad \{1\}\cup\{1\}=\{1\}\in T, \\ \emptyset\cup X\cup\{1\}=X\in T. \end{array}
Im Falle beliebiger Vereinigungen gehen wir analog vor. |
Also bildet (X,T) einen topologischen Raum. \qquad\Box
Aufgabe 9.5.5: (Die kofinite Topologie)
Es sei X eine nichtleere Menge. Wir setzen T:=\{\Omega\subseteq X\,:\,X\setminus\Omega\ \mbox{ist endlich}\}\cup\{\emptyset\}\,. Beweisen Sie, dass (X,T) ein topologischer Raum ist.
\circ | Es gilt (T1), denn es ist \emptyset\in T nach Voraussetzung, und wegen X\setminus X=\emptyset ist auch X\in T. |
\circ | Es gilt (T2), denn zunächst gilt für zwei Teilmengen U,V\in X nach der de Morganschen Regel aus Analysis 1, Paragraph 1.2.3 |
X\setminus(U\cap V)=(X\setminus U)\cup(X\setminus V).
Sind nun U und V kofinit, d.h. X\setminus U und X\setminus V sind endlich, so ist auch die Vereinigung (X\setminus U)\cup(X\setminus V) endlich, d.h. U\cap V ist ebenfalls kofinit und damit U\cap V\in T. | |
\circ | Ähnlich wie in Aufgabe 9.4.5 zeigt man die de Morgansche Regel |
X\setminus\bigcup_{i\in I}U_i=\bigcap_{i\in I}(X\setminus U_i)
für beliebige Indexmengen I (zeigen!). Sind nun sämtliche U_i kofinit und damit X\setminus U_i endlich für alle i\in I, so auch der Schnitt \displaystyle\bigcap_{i\in I}(X\setminus U_i) endlich, da dieser Schnitt Teilmenge aller X\setminus U_i ist, und nach voriger Regel ist \bigcup_{i\in I}U_i kofinit. |
Damit ist alles gezeigt. \qquad\Box
Aufgaben - Offene und abgeschlossene Mengen
Aufgabe 9.5.6: (Der Sierpinskiraum ist kein Hausdorffraum)
Beweisen Sie, dass der Sierpinskiraum aus Aufgabe 9.5.4 kein metrischer Raum und damit auch kein Hausdorffraum ist.
Wegen X=\{0,1\} wählen wir die beiden einzig möglichen verschiedenen Punkte x=0 und x=1. Jetzt überprfüfen wir die Möglichkeiten, x und y in offene Mengen einzubetten:
\circ | Es ist x\in X, aber dann auch y\in X. |
\circ | Es ist y\in X, aber dann auch x\in X. Oder es ist y\in\{1\}, aber wieder verbleibt nur x\in X, und es gilt auch y\in X. |
Es ist also nicht möglich, x und y durch zwei offene Mengen zu trennen, d.h. der Sierpinskiraum ist kein Hausdorffraum. Nach Paragraph 9.3.2 ist er deshalb auch nicht metrisch, was zu zeigen war. \qquad\Box
1. | Was versteht man unter einer Topologie? |
2. | Was versteht man unter einem topologischen Raum? |
3. | Wann heißt eine Teilmenge U\subseteq X eines topologischen Raumes offen? |
4. | Wann heißt eine Teilmenge U\subseteq X eines topologischen Raumes abgeschlossen? |