8. Das Riemannsche Integral | 10. Konvergenz in metrischen Räumen | 11. Kompaktheit |
12. Kurven und Flächen | 13. Partielle und vollständige Differenzierbarkeit |
9. Metrik und Topologie
9.1.1 Definition metrischer Räume
Am Anfang unserer Untersuchungen dieses Kapitel steht die
Definition: Es sei \( X \) eine nichtleere Menge. Eine Funktion \[ d\colon X\times X\longrightarrow[0,\infty) \] heißt eine Metrik auf \( X, \) wenn für alle \( x,y,z\in X \) gelten:
(M1) | \( d(x,y)\ge 0 \) |
(M2) | \( d(x,y)=0 \) genau dann, wenn \( x=y \) |
(M3) | \( d(x,y)=d(y,x) \) |
(M4) | \( d(x,z)\le d(x,y)+d(y,z) \) |
Das Paar \( (X,d) \) heißt dann ein metrischer Raum.
Es heißen
\( \circ \) | (M1) die Nichtnegativität der Metrik, |
\( \circ \) | (M3) die Symmetrie der Metrik, |
\( \circ \) | (M4) die Dreiecksungleichung. |
Tatsächlich können wir beweisen, dass die Eigenschaft (M1) aus den anderen drei Eigenschaften folgt. Verwenden wir der Reihe nach (M2), (M4) und (M3), so ist nämlich \[ 0=d(x,x) \le d(x,y)+d(y,x) =d(x,y)+d(x,y) =2d(x,y) \] und daher \( d(x,y)\ge 0. \)
9.1.2 Beispiele metrischer Räume
Standardbeispiel
Das Standardbeispiel eines metrischen Raumes ist der \( \mathbb R, \) ausgestattet mit der Betragsmetrik \[ d(x,y):=|x-y|,\quad x,y\in\mathbb R, \] mit der gewöhnlichen Betragsfunktion \( |\cdot|\colon\mathbb R\to[0,\infty). \) Wir schreiben \( (\mathbb R,|\cdot|). \)
Diskrete Metrik
Ist \( X \) nichtleer, sonst aber beliebig, so stellt \[ d(x,y) :=\left\{ \begin{array}{cl} 0, & \mbox{falls}\ x=y \\ 1, & \mbox{falls}\ x\not=y \end{array} \right. \] eine Metrik auf \( X \) dar, die sogenannte diskrete Metrik.
Euklidischer Raum
Hierunter verstehen wir den metrischen Raum \( (\mathbb R^n,d) \) mit der Euklidischen Metrik \[ d(x,y):=\left(\,\sum_{k=1}^n|x_k-y_k|^2\right)^\frac{1}{2}, \] worin \( x=(x_1,\ldots,x_n) \) und \( y=(y_1,\ldots,y_n) \) Elemente des \( \mathbb R^n:=\mathbb R\times\ldots\times\mathbb R \) bezeichnen.
Zum Nachweis, dass es sich bei \( (\mathbb R^n,d(x,y)) \) tatsächlich um einen metrischen Raum handelt, soll es an dieser Stelle genügen, nur die Dreiecksungleichung abzuleiten. Dazu gehen wir von der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung aus unserer Vorlesung Analysis 1 aus \[ \sum_{k=1}^n|\xi_k\eta_k| \le\left(\,\sum_{k=1}^n|\xi_k|^2\right)^\frac{1}{2}\left(\,\sum_{k=1}^n|\eta_k|^2\right)^\frac{1}{2}\,. \] Wir schätzen nun wie folgt ab: \[ \begin{array}{lll} \displaystyle \sum_{k=1}^n|\xi_k+\eta_k|^2\negthickspace & \le & \negthickspace\displaystyle \sum_{k=1}^n(|\xi_k|+|\eta_k|)^2 \\ & = & \negthickspace\displaystyle \sum_{k=1}^n|\xi_k|^2+\sum_{k=1}^n|\eta_k|^2+2\sum_{k=1}^n|\xi_k\eta_k|^2 \\ & \le & \negthickspace\displaystyle \sum_{k=1}^n|\xi_k|^2+\sum_{k=1}^n|\eta_k|^2+2\left(\,\sum_{k=1}^n|\xi_k|^2\right)^\frac{1}{2}\left(\,\sum_{k=1}^n|\eta_k|^2\right)^\frac{1}{2} \\ & = & \negthickspace\displaystyle \left[\left(\,\sum_{k=1}^n|\xi_k|^2\right)^\frac{1}{2}+\left(\,\sum_{k=1}^n|\eta_k|^2\right)^\frac{1}{2}\right]^2 \end{array} \] bzw. nach Radizieren \[ \left(\,\sum_{k=1}^n|\xi_k+\eta_k|^2\right)^\frac{1}{2} \le\left(\,\sum_{k=1}^n|\xi_k|^2\right)^\frac{1}{2}+\left(\,\sum_{k=1}^n|\eta_k|^2\right)^\frac{1}{2}\,. \] Nun ersetzen wir \( \xi_k \) durch \( x_k-y_k \) und \( \eta_k \) durch \( y_k-z_k \) und erhalten \[ \left(\,\sum_{k=1}^n|x_k-z_k|^2\right)^\frac{1}{2} \le\left(\,\sum_{k=1}^n|x_k-y_k|^2\right)^\frac{1}{2}+\left(\,\sum_{k=1}^n|y_k-z_k|^2\right)^\frac{1}{2} \] bzw. mit obiger Definition von \( d(x,y) \) \[ d(x,z)\le d(x,y)+d(y,z). \] Das ist die gesuchte Dreiecksungleichung.\( \qquad\Box \)
Weitere Metriken im \( \mathbb R^n \)
Weitere Beispiele metrischer Räume sind die Betragssummenmetrik und die Maximumsmetrik
\( \circ \) | \( \varrho(x,y):=|x_1-y_1|+|x_2-y_2|+\ldots+|x_n-y_n| \) |
\( \circ \) | \( \sigma(x,y):=\max\,\{|x_1-y_1|,|x_2-y_2|,\ldots,|x_n-y_n|\} \) |
Aufgaben - Definition metrischer Räume
Aufgabe 9.1.1: (Abgeleitete Metriken)
Es sei \( d(x,y) \) eine Metrik (auf \( X \)). Beweisen Sie, dass dann ebenfalls Metriken (auf \( X \)) sind:
(i) | \( d_1:=k\cdot d \) mit \( k\gt 0 \) | (ii) | \( \displaystyle d_2:=\frac{d}{1+d} \) |
(iii) | \( d_3:=\min\,\{1,d\} \) |
Aufgabe 9.1.2: (Gegenbeispiele von Metriken I)
Zeigen Sie, dass folgende Abbildunge keine Metriken auf \( \mathbb R \) darstellen:
(i) | \( d_1(x,y):=|x-3y|,\quad x,y\in\mathbb R \) |
(ii) | \( d_2(x,y):=|x|-|y|,\quad x,y\in\mathbb R \) |
(iii) | \( d_3(x,y):=|x|^{|y|}\,,\quad x,y\in\mathbb R \) |
Aufgabe 9.1.3: (Gegenbeispiele von Metriken II)
Es sei \( X=\{1,2,3,4,5\}. \)
(i) | Geben Sie ein Beispiel einer Abbildung \( d\colon X\times X\to\mathbb R, \) die eine Metrik auf \( X \) ist. |
(ii) | Geben Sie ein Beispiel einer Abbildung \( d\colon X\times X\to\mathbb R, \) die keine Metrik auf \( X \) ist. |
Begründen Sie jeweils.
Aufgaben - Beispiele metrischer Räume
Aufgabe 9.1.4: (Standardmetrik)
Beweisen Sie, dass \( (\mathbb R,d) \) mit der Abbildung \[ d(x,y):=|x-y|,\quad x,y\in\mathbb R, \] ein metrischer Raum ist.
Aufgabe 9.1.5: (Eine Metrik aus inversen Elementen)
Auf \( X=[1,\infty) \) betrachten wir die Abbildung \[ d(x,y):=\left|\frac{1}{x}-\frac{1}{y}\right|,\quad x,y\in X. \] Beweisen Sie, dass \( (X,d) \) ein metrischer Raum ist.
Aufgabe 9.1.6: (Diskrete Metrik)
Es sei \( X \) eine nichtleere Menge. Beweisen Sie, dass dann durch \[ d(x,y):=\left\{\begin{array}{cl} 0, & \quad\mbox{falls}\ x=y \\ 1, & \quad\mbox{falls}\ x\not=y \end{array}\right.,\quad x,y\in X, \] eine Metrik auf \( X \) definiert ist.
Aufgabe 9.1.7: (Eine Metrik mit dem natürlichen Logarithmus)
Betrachten Sie die Abbildung \[ d\colon\mathbb R\times\mathbb R\longrightarrow\mathbb R \quad\mbox{vermöge}\quad d(x,y):=\ln(1+|x-y|). \] Beweisen Sie, dass \( (\mathbb R,d) \) ein metrischer Raum ist.
Aufgabe 9.1.8: (Bijektive Funktionen und metrische Räume)
Es sei \( f\colon[a,b]\to[c,d] \) eine bijektive Abbildung auf den nichtleeren, kompakten Intervallen \( [a,b]\subset\mathbb R \) und \( [c,d]\subset\mathbb R. \) Wir setzen \[ d(x,y):=|f(x)-f(y)|,\quad x,y\in[a,b]. \] Beweisen Sie, dass dann \( ([a,b],d) \) ein metrischer Raum ist.
Aufgabe 9.1.9: (Stetige Funktionen und metrische Räume)
Es sei \( X=C^0([a,b],\mathbb R) \) die Menge aller auf dem kompakten Intervall \( [a,b]\subset\mathbb R, \) \( a\lt b, \) stetigen, reellwertigen Funktionen \( f\colon[a,b]\to\mathbb R. \) Sei ferner \[ d(f,g):=\int\limits_a^b|f(x)-g(x)|\,dx. \] Beweisen Sie, dass dann \( (X,d) \) ein metrischer Raum ist.
1. | Definieren Sie die Begriffe Metrik und metrischer Raum. |
2. | Was versteht man unter der Betragsmetrik in \( \mathbb R? \) |
3. | Was versteht man unter der diskreten Metrik? |
4. | Was versteht man unter der Euklidischen Metrik in \( \mathbb R^n? \) |
5. | Was versteht man unter der Betragssummenmetrik in \( \mathbb R^n? \) |
6. | Was versteht man unter der Maximumsmetrik in \( \mathbb R^n? \) |
9.2.1 Definition normierter Räume
In unserer nächsten Definition legen wir reelle Vektorräume zu Grunde, also Räume, in denen eine Addition und eine skalare Multiplikation erklärt sind.
Definition: Es sei \( V \) ein reeller Vektorraum. Eine Abbildung \[ \|\cdot\|\colon V\longrightarrow[0,\infty) \] heißt eine Norm auf \( V, \) wenn für alle \( x,y\in V \) und alle \( \lambda\in\mathbb R \) gelten:
(N1) | \( \|x\|\ge 0 \) |
(N2) | \( \|x\|=0 \) genau dann, wenn \( x=0 \) |
(N3) | \( \|\lambda x\|=|\lambda|\cdot\|x\| \) |
(N4) | \( \|x+y\|\le\|x\|+\|y\| \) |
Das Paar \( (V,\|\cdot\|) \) heißt dann ein normierter Raum.
Es heißen
\( \circ \) | (N1) die Nichtnegativität der Norm, |
\( \circ \) | (N3) die Homogenität der Norm, |
\( \circ \) | (N4) die Dreiecksungleichung. |
9.2.2 Metrische und normierte Räume
Ein wichtiger Zusammenhang zwischen metrischen und normierten Räumen ist Inhalt des folgenden Satzes, dessen Beweis wir als Übung belassen.
Satz: Es sei \( (V ,\|\cdot\|) \) ein normierter Raum. Dann stellt \[ d(x,y):=\|x-y\|,\quad x,y\in V, \] eine Metrik auf \( V \) dar.
Normierte Räume sind also gleichzeitig metrisch. Die Umkehrung ist jedoch i.A. falsch.
9.2.3 Beispiele normierter Räume
Der gewöhnliche Betrag in \( \mathbb R \)
Die gewöhnliche Betragsfunktion \( |\cdot|\colon\mathbb R\to\mathbb R \) auf den reellen Zahlen ist das Standardbeispiel einer Norm.
Die Euklidische Norm im \( \mathbb R^n \)
Hierunter verstehen wir die Abbildung \[ \|x\|_2:=\sqrt{x_1^2+x_2^2+\ldots+x_n^2}\,,\quad x=(x_1,\ldots,x_n)\in\mathbb R^n\,. \] Im Fall \( n=2 \) ergibt sich die bekannte Formel für die Länge \( \|x\| \) der Hypothenuse eines ebenen, rechtwinkligen Dreiecks mit den beiden Katheten \( x_1 \) und \( x_2. \)
Die \( p \)-Norm im \( \mathbb R^n \)
In Verallgemeinerung der Euklidischen Norm setzen wir für \( p\in\mathbb N \) \[ \|x\|_p:=\left(\,\sum_{k=1}^n|x_k|^p\right)^\frac{1}{p}\,,\quad x=(x_1,\ldots,x_n)\in\mathbb R^n\,. \] Im Fall \( p=1 \) sprechen wir auch von der Betragssummennorm.
Die Supremumsnorm im \( \mathbb R^n \)
Hierunter verstehen wir die Abbildung \[ \|x\|_\infty:=\max\,\big\{|x_1|,\ldots,|x_n|\big\}\,,\quad x=(x_1,\ldots,x_n)\in\mathbb R^n\,. \]
Formal gliedert sich \( \|\cdot\|_\infty \) wie folgt in die \( p \)-Normen ein: \[ \|x\|_p =\left(\,\sum_{k=1}^n|x_k|^p\right)^\frac{1}{p} =\|x\|_\infty\left(\,\sum_{k=1}^n\left[\frac{|x_k|}{\|x\|_\infty}\right]^p\right)^\frac{1}{p}\,, \] falls \( x\not=0, \) wobei \[ 1\le\sum_{k=1}^n\left[\frac{|x_k|}{\|x\|_\infty}\right]^p\le n, \] falls \( 1\le p\lt\infty. \) Es folgt \[ \lim_{p\to\infty}\|x\|_p =\|x\|_\infty\cdot\lim_{p\to\infty}\left(\,\sum_{k=1}^n\left[\frac{|x_k|}{\|x\|_\infty}\right]^p\right)^\frac{1}{p} =\|x\|_\infty\cdot 1. \]
Ein Beweis des folgenden wichtigen Satzes bedarf Hilfsmittel, die wir erst später zur Verfügung stellen.
Satz: Im \( \mathbb R^n \) sind alle Normen äquivalent, d.h. zu zwei beliebigen Normen \( \|\cdot\|_1\colon\mathbb R^n\to[0,\infty) \) und \( \|\cdot\|_2\colon\mathbb R^n\to\mathbb R \) existieren stets Konstanten \( \lambda,\mu\ge 0, \) so dass \[ \lambda\|x\|_1\le\|x\|_2\le\mu\|x\|_1\quad\mbox{für alle}\ x\in\mathbb R^n \] richtig ist.
Eine solche Aussage ist in unendlich dimensionalen Vektorräumen i.A. nicht mehr richtig.
Aufgaben - Definition normierter Räume
Aufgabe 9.2.1: (Gegenbeispiel von Normen)
Zeigen Sie, dass es sich bei den folgenden Abbildungen \( \|\cdot\|\colon\mathbb R^2\to\mathbb R \) nicht um Normen handelt.
(i) | \( \|x\|:=|x_1| \) | (ii) | \( \|x\|:=x_1+x_2 \) |
(iii) | \( \|x\|:=\sqrt{x_1+x_2} \) |
Aufgaben - Metrische und normierte Räume
Aufgabe 9.2.2: (Metriken auf normierten Räumen)
Es sei \( (V,\|\cdot\|) \) ein normierter Raum. Beweisen Sie, dass dann \[ d(x,y):=\|x-y\|,\quad x,y\in V, \] eine Metrik auf \( V \) darstellt.
Aufgabe 9.2.3: (Metrische Räume sind nicht notwendig normiert)
Es sei \( X \) eine nichtleere Menge. Beweisen Sie, dass die diskrete Metrik \[ d(x,y) :=\left\{ \begin{array}{cl} 0, & \mbox{falls}\ x=y \\ 1, & \mbox{falls}\ x\not=y \end{array} \right. \] nicht von einer Norm erzeugt wird, d.h. es gibt keine Norm \( \|\cdot\| \) auf \( X \) mit \( d(x,y)=\|x-y\|. \)
Aufgabe 9.2.4: (Frechetmetriken)
Eine Abbildung \( \varphi\colon X\to\mathbb R \) auf einem Vektorraum \( X \) mit den Eigenschaften
(F1) | \( \varphi(x)\ge 0 \) für alle \( x\in X, \) |
(F2) | \( \varphi(x)=0 \) genau dann, wenn \( x=0, \) |
(F3) | \( \varphi(x)=\varphi(-x) \) für alle \( x\in X, \) |
(F4) | \( \varphi(x+y)\le\varphi(x)+\varphi(y) \) für alle \( x,y\in X \) |
heißt eine Frechetmetrik auf \( X. \) Beweisen Sie:
(i) | Jede Norm \( x\mapsto\|x\| \) auf \( X \) ist eine Frechetmetrik auf \( X. \) |
(ii) | Nicht jede Frechetmetrik auf \( X \) ist eine Norm. Ein Gegenbeispiel ist |
\[ x\mapsto\frac{|x|}{1+|x|}\,,\quad x\in\mathbb R^n\,. \]
Begründen Sie. | |
(iii) | Jede Frechetmetrik auf \( X \) induziert vermöge |
\[ d(x,y):=\varphi(x-y),\quad x,y\in X, \]
eine Metrik auf \( X. \) |
Aufgaben - Beispiele normierter Räume
Aufgabe 9.2.5: (Supremumsnorm im \( \mathbb R^n \))
Beweisen Sie, dass \( \mathbb R^n,\|\cdot\|_\infty \) mit der Setzung \[ \|x\|_\infty:=\max\,\big\{|x_1|,\ldots,|x_n|\big\}\,,\quad x=(x_1,\ldots,x_n)\in\mathbb R^n\,, \] ein normierter Raum ist.
Aufgabe 9.2.6: (Betragssummenorm im \( \mathbb R^n \))
Wir betrachten den \( \mathbb R^n \) zusammen mit der Abbildung \[ \|x\|_1:=\sum_{i=1}^n|x_i|,\quad x=(x_1,\ldots,x_n)\in\mathbb R^n\,. \] Beweisen Sie, dass dann \( (\mathbb R^n,\|\cdot\|_1) \) ein normierter Raum ist.
Aufgabe 9.2.7: (Beispiel einer Norm im \( \mathbb R^2 \))
Beweisen Sie, dass durch \[ \|x\|:=\max\left\{|x_1|,\frac{1}{2}\,|x_1+x_2|\right\},\quad x=(x_1,x_2)\in\mathbb R^2\,, \] eine Norm auf dem \( \mathbb R^2 \) definiert ist.
Aufgabe 9.2.8: (Euklidische Norm im \( \mathbb R^n \))
Wir betrachten den \( \mathbb R^n, \) ausgestattet mit dem Standardskalarprodukt \[ \langle x,y\rangle:=\sum_{i=1}^nx_iy_i\,,\quad x,y\in\mathbb R^n\,. \] Beweisen Sie, dass dann \( (\mathbb R^n,\|\cdot\|_2) \) mit der Setzung \[ \|x\|_2:=\sqrt{\langle x,x\rangle}\,,\quad x\in\mathbb R^n\,, \] zu einem normierten Raum wird.
Aufgabe 9.2.9: (Der normierte Raum der beschränkten Funktionen)
Es sei \( [a,b]\subset\mathbb R, \) \( a\lt b, \) ein kompaktes Intervall. Wir bezeichnen \[ B([a,b]):=\big\{f\colon[a,b]\to\mathbb R\,:\,f([a,b])\ \mbox{ist beschränkte Teilmenge von}\ \mathbb R\big\} \] die Menge aller reellwertigen und beschränkten Funktionen auf \( [a,b]. \) Beweisen Sie, dass \( B([a,b]) \) zusammen mit der Supremumsnorm \[ \|f\|_\infty:=\sup_{x\in[a,b]}|f(x)|,\quad f\in B([a,b]), \] zu einem normierten Raum wird.
Aufgabe 9.2.10: (Beispiele äquivalenter Normen I)
Es bezeichnen \( \|\cdot\|_1 \) die Betragssummennorm und \( \|\cdot\|_\infty \) die Supremumsnorm im \( \mathbb R^n. \) Finden Sie zwei nur von \( n\in\mathbb N \) abhängige Konstanten \( C_1(n),C_2(n)\in(0,\infty) \) mit der Eigenschaft \[ C_1(n)\|x\|_1\le\|x\|_\infty\le C_2(n)\|x\|_1\quad\mbox{für alle}\ x\in\mathbb R^n\,. \] Die Betragssummennorm und die Supremumsnorm sind also im \( \mathbb R^n \) äquivalent.
Aufgabe 9.2.11: (Beispiele äquivalenter Normen II)
Es bezeichnen \( \|\cdot\|_2 \) die Euklidische Norm und \( \|x\|_\infty \) die Supremumsnorm im \( \mathbb R^n. \) Finden Sie zwei nur von \( n\in\mathbb N \) abhängige Konstanten \( C_1(n),C_2(n)\in(0,\infty) \) mit der Eigenschaft \[ C_1(n)\|x\|_2\le\|x\|_\infty\le C_2(n)\|x\|_2\quad\mbox{für alle}\ x\in\mathbb R^n\,. \] Die Euklidische Norm und die Supremumsnorm sind also im \( \mathbb R^n \) äquivalent.
Aufgabe 9.2.12: (Beispiele äquivalenter Normen III)
Beweisen Sie, dass die Betragssummennorm \( \|\cdot\|_1 \) und die Euklidische Norm \( \|\cdot\|_2 \) im \( \mathbb R^n \) äquivalent sind.
1. | Definieren Sie die Begriffe Norm und normierter Raum. |
2. | Beweisen Sie, dass normierte Räme metrisch sind. Wie lautet die von der Norm erzeugte Metrik? |
3. | Was ist unser Standardbeispiel eines normierten Raumes? |
4. | Was versteht man unter der Euklidischen Norm in \( \mathbb R^n? \) |
5. | Was versteht man unter der \( p \)-Norm in \( \mathbb R^n? \) |
6. | Was versteht man unter der Betragssummennorm in \( \mathbb R^n? \) |
7. | Was versteht man unter der Supremumsnorm in \( \mathbb R^n? \) |
8. | Wann heißen zwei Normen äquivalent? |
9. | Was können Sie über die Äquivalenz von Normen in \( \mathbb R^n \) aussagen? |
Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum. Wir bezeichnen mit \[ B_r(a):=\{x\in X\,:\,d(x,a)\lt r\}\subseteq X \] den offenen Ball vom Radius \( r\gt 0 \) und mit Mittelpunkt \( a\in X. \)
Definition: Eine Teilmenge \( U\subseteq X \) eines metrischen Raumes \( (X,d) \) heißt eine Umgebung eines Punktes \( a\in X, \) falls ein \( \varepsilon\gt 0 \) existiert mit \[ B_\varepsilon(a)\subseteq U. \]
9.3.2 Das Hausdorffsche Trennungsaxiom
Zwei verschiedene Punkte eines metrischen Raumes lassen sich durch offene Umgebungen voneinander trennen. Genauer gilt das folgende Hausdorffsche Trennungsaxiom, welches wir für metrische Räume als Satz formulieren können.
Satz: Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum. Zu zwei beliebig gewählten, aber voneinander verschiedenen Punkten \( x,y\in X \) existieren dann zwei zueinander disjunkte Umgebungen \( U\subset X \) von \( x \) und \( V\subset X \) von \( y, \) so dass gilt \( U\cap V=\emptyset. \)
Setze nämlich, da \( x\not=y, \) \[ \varepsilon:=\frac{1}{2}\,d(x,y)\gt 0 \] und betrachte \[ U:=B_\varepsilon(x),\quad V:=B_\varepsilon(y). \] Es existiert dann kein \( z\in X \) mit \( z\in U\cap V. \) Denn für ein solches \( z \) wäre \[ \begin{array}{l} z\in U,\quad\mbox{d.h.}\ d(x,z)\lt\varepsilon, \\ z\in V,\quad\mbox{d.h.}\ d(y,z)\lt\varepsilon. \end{array} \] Mit der Dreiecksungleichung folgt \[ 2\varepsilon =d(x,y) \le d(x,z)+d(z,y) \lt\varepsilon+\varepsilon =2\varepsilon, \] also \( 2\varepsilon\lt 2\varepsilon, \) und das ist ein Widerspruch.\( \qquad\Box \)
Mit Hilfe des Umgebungsbegriffs definieren wir nun den Begriff einer offenen Menge:
Definition: Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum. Eine Teilmenge \( U\subseteq X \) heißt offen, wenn sie Umgebung jeder ihrer Punkte ist, d.h. wenn zu jedem \( a\in U \) ein \( \varepsilon\gt 0 \) existiert mit \( B_\varepsilon(a)\subseteq U. \)
Beispiele offener Mengen sind
(i) | offene Intervalle \( (x,y)\subseteq\mathbb R \) mit \( X=\mathbb R \) und \( d(x,y)=|x-y| \) |
(ii) | offene Bälle \( B_r(a)\subseteq X \) in \( (X,d) \) |
(iii) | die Menge \( X \) selbst in \( (X,d) \) |
(iv) | die leere Menge \( \emptyset \) in \( (X,d) \) |
9.3.4 Durchschnitt und Vereinigung offener Mengen
Satz: Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum, und es seien \( U,V\subseteq X \) sowie \( U_i\subseteq X, \) \( i\in I \) mit irgendeiner Indexmenge \( I, \) Teilmengen. Dann sind richtig:
(i) | Sind \( U \) und \( V \) offen in \( (X,d), \) so auch \( U\cap V. \) |
(ii) | Sind alle \( U_i, \) \( i\in I, \) offen in \( (X,d), \) so auch |
|
(i) | Es sei \( U\cap V\not=\emptyset, \) denn sonst ist die Behauptung nach Paragraph 9.3.3 klar. Wähle ein \( x\in U\cap V \) beliebig. Da \( U \) und \( V \) offen sind, existieren \( \varepsilon_1\gt 0 \) und \( \varepsilon_2\gt 0 \) mit |
\[ B_{\varepsilon_1}(x)\subset U,\quad B_{\varepsilon_2}(x)\subset V. \]
Mit \( \varepsilon:=\min\{\varepsilon_1,\varepsilon_2\} \) sind dann auch |
\[ B_\varepsilon(x)\subset U\quad\mbox{und}\quad B_\varepsilon(x)\subset V, \]
d.h. \( B_\varepsilon(x)\subset U\cap V, \) und \( U\cap V \) ist offen. | |
(ii) | Es sei \( U_i\not=\emptyset \) für alle \( i\in I. \) Wähle ein beliebiges |
\[ x\in\bigcup_{i\in I}U_i\,. \]
Dann existiert ein \( i_0\in I \) mit \( x\in U_{i_0}, \) und da \( U_{i_0} \) offen ist, gibt es ein \( \varepsilon\gt 0 \) mit |
\[ B_\varepsilon(x)\subset U_{i_0}\subset\bigcup_{i\in I}U_i\,. \]
Also ist auch die Vereinigung auf der rechten Seite offen. |
Damit ist alles gezeigt.\( \qquad\Box \)
Beispiel: Wir wollen an einem Beispiel verifizieren, dass der Durchschnitt unendlich vieler offener Mengen nicht notwendig offen ist. Betrachte dazu die Mengen \[ U_i:=\left(-\frac{1}{i},1+\frac{1}{i}\right)\subset\mathbb R,\quad i=1,2,\ldots, \] im metrischen Raum \( (\mathbb R,|\cdot|). \) Dann gilt \[ \bigcap_{i=1}^\infty U_i=[0,1]\subset\mathbb R, \] aber \( [0,1] \) ist in \( (\mathbb R,|\cdot|) \) nicht offen.
9.3.5 Innere Punkte und Inneres von Mengen
Definition: Es seien \( (X,d) \) ein metrischer Raum und \( U\subseteq X \) eine nichtleere Teilmenge. Ein Punkt \( a\in U \) heißt innerer Punkt von \( U \) in \( (X,d), \) wenn es ein \( \varepsilon\gt 0 \) gibt mit \[ B_\varepsilon(a)\subseteq U. \] Die Menge aller inneren Punkte von \( U \) heißt deren Inneres, in Zeichen \( \mathring U. \)
Bemerkung: Die leere Menge \( \emptyset \) enthält überhaupt keine Punkte, insbesondere also auch keine inneren Punkte. Wir vereinbaren folgerichtig, dass das Innere der leeren Menge wieder die leere Menge ist: \( \mathring\emptyset:=\emptyset. \)
Beachten Sie, dass alle diese Begriffe wesentlich abhängen von
\( \circ \) | der zu betrachtenden Teilmenge \( U, \) |
\( \circ \) | der gewählten Metrik \( d(x,y), \) |
\( \circ \) | und der einbettenden Menge \( X. \) |
Auch hierzu ein Beispiel:
(1) | Es ist \( U=(0,1] \) in \( (\mathbb R,|\cdot|) \) nicht offen. |
(2) | Es ist \( U=(0,1] \) in \( ((-\infty,1],|\cdot|) \) offen. |
Aufgabe 9.3.1: (Beispiele offener Einheitsbälle)
Skizzieren Sie die offenen Bälle \[ B_1(0):=\{x=(x_1,x_2)\in\mathbb R^2\,:\,d(x,0)\lt 1\}\subset\mathbb R^2 \] bez. der folgenden drei Metriken \( d(x,y), \) \( x,y\in\mathbb R^2, \) des \( \mathbb R^2\,: \)
(i) | \( d_1(x,y):=\sqrt{|x_1-y_1|^2+|x_2-y_2|^2} \) |
(ii) | \( d_2(x,y):=|x_1-y_1|+|x_2-y_2| \) |
(iii) | \( d_3(x,y):=\max\,\{|x_i-y_i|\,:\,i=1,2\} \) |
Aufgaben - Das Hausdorffsche Trennungsaxiom
Aufgabe 9.3.2: (Beispiel zum Hausdorffschen Trennungsaxiom)
Im metrischen Raum \( (\mathbb R,|\cdot|) \) mit der gewöhnlichen Abstandsmetrik betrachten wir die Menge \[ Y:=\left\{x=\frac{1}{n}\,:\,n\in\mathbb N\right\}\cup\{0\}\,. \] Verifizieren Sie das Hausdorffsche Trennungsaxiom an einem selbst gewählten Beispiel eines Punktepaares \( (x,y)\in Y\times Y. \)
Aufgabe 9.3.3: (Beispiele offener Mengen I)
Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum. Entscheiden Sie, ob die folgenden Mengen \( U \) offen in \( (X,d) \) sind. Begründen Sie.
(i) | \( U=(0,1)\subset\mathbb R \) mit \( X=\mathbb R \) und \( d(x,y):=|x-y| \) |
(ii) | \( U=(0,1)\subset\mathbb R^2 \) mit \( X=\mathbb R^2 \) und \( d(x,y):=\|x-y\|_2 \) |
Aufgabe 9.3.4: (Beispiele offener Mengen II)
Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum. Beweisen Sie, dass folgende Mengen offen sind in \( (X,d): \)
(i) | die Menge \( X \) selbst in \( (X,d) \) |
(ii) | die leere Menge \( \emptyset \) in \( (X,d) \) |
Aufgabe 9.3.5: (Beispiele offener Mengen III)
Beweisen Sie, dass die Menge \[ U:=\{x=(x_1,x_2)\in\mathbb R^2\,:\,2x_1-x_2+x_1x_2\lt 1\}\subset\mathbb R^2 \] offen in \( (\mathbb R^2,d) \) mit der Metrik \( d(x,y)=\|x-y\|_2 \) ist.
(siehe Koliha, J.J., Kapitel 1, Beispiel 1.34)
Aufgabe 9.3.6: (Offene Bälle sind offen)
Es seien \( (X,d) \) ein metrischer Raum und \[ B_r(a):=\{x\in X\,:\,d(x,a)\lt r\}\subseteq X \] ein offener Ball in \( X \) mit \( a\in X \) und \( r\gt 0. \) Beweisen Sie, dass \( B_r(a) \) in \( (X,d) \) offen ist.
Aufgabe 9.3.7: (Teilmengen diskreter metrischer Räume sind offen)
Beweisen Sie: In einem metrischen Raum \( (X,d) \) mit der diskreten Metrik \( d(x,y) \) ist jede Teilmenge von \( X \) offen in \( (X,d). \)
Aufgabe 9.3.8: (Äquivalenz von Metriken)
Auf der Menge \( \mathbb R^n \) betrachten wir die drei verschiedenen Metriken \[ \begin{array}{l} \displaystyle d(x,y):=|x-y|=\sqrt{\sum_{i=1}^n(x_i-y_i)^2}\,, \\ \sigma(x,y):=\displaystyle\max_{1\le i\le n}|x_i-y_i|,\quad \varrho(x,y):=\sum_{i=1}^n|x_i-y_i|. \end{array} \] Es bezeichnen \( B_r^d(x), \) \( B_r^\sigma(x) \) und \( B_r^\varrho(x) \) die offenen Bälle um \( x\in\mathbb R^n \) mit Radius \( r \) bez. diesen Metriken \( d, \) \( \sigma \) bzw. \( \varrho, \) also \[ B_r^d(x):=\big\{y\in\mathbb R^n\,:\,d(x,y)\lt r\big\}\quad\mbox{usw.} \] Finden Sie nur von \( n \) abhängige Konstanten \( c_1, \) \( c_2, \) \( c_3 \) und \( c_4, \) so dass gelten \[ \begin{array}{l} B_{c_1r}^\varrho(x)\subset B_r^d(x)\subset B_{c_2r}^\sigma(x) \quad\mbox{sowie}\quad B_{c_3r}^\sigma(x)\subset B_r^d(x)\subset B_{c_4r}^\varrho(x). \end{array} \]
Aufgaben - Durchschnitt und Vereinigung offener Mengen
Aufgabe 9.3.9: (Die Vereinigung an zwei Beispielen)
Stellen Sie folgende Mengen \( U\subset\mathbb R \) als endliche oder unendliche Vereinigung offener Mengen dar, und begründen Sie auf diese Weise unter Benutzung des Satzes aus Paragraph 9.3.4 die Offenheit dieser Mengen in \( (\mathbb R,|\cdot|). \)
(i) | \( U=(-1,1)\setminus\{0\} \) |
(ii) | \( U=(-3,3)\setminus\{[-2,-1]\cup[1,2]\} \) |
Aufgabe 9.3.10: (Durchschnitt endlich vieler offener Mengen)
Es sei \( n\in\mathbb N \) eine beliebige natürliche Zahl. Ferner seien \( U_1,\ldots,U_n\subset X \) offen im metrischen Raum \( (X,d). \) Beweisen Sie, dass dann auch offen ist \[ U:=\bigcap_{i=1}^nU_i\,. \]
Aufgaben - Innere Punkte und Inneres von Mengen
Aufgabe 9.3.11: (Innere Punkte von Intervallen)
Bestimmen Sie das Innere \( \mathring U \) der folgenden Teilmengen \( U\subset\mathbb R \) des metrischen Raumes \( (\mathbb R,|\cdot|) \) mit der gewöhnlichen Abstandsmetrik, und entscheiden Sie, ob die Mengen offen sind.
(i) | \( U=[0,1] \) | (ii) | \( U=[0,1) \) | (iii) | \( U=(0,1) \) |
Aufgabe 9.3.12: (Innere Punkte ebener Mengen)
Skizzieren Sie die folgenden Teilmengen \( U\subset\mathbb R^2 \) des Euklidischen Raumes \( (\mathbb R^2,\|\cdot\|_2), \) und bestimmen Sie deren Inneres \( \mathring U. \)
(i) | \( U=\{(x,y)\in\mathbb R^2\,:\,x^2+y^2\le 1\} \) |
(ii) | \( U=\{(x,y)\in\mathbb R^2\,:\,|x|+|y|\le 1\} \) |
Aufgabe 9.3.13: (Inneres der rationalen und irrationalen Zahlen)
Bestimmen Sie die inneren Punkte und das Innere \( \mathring U \) der folgenden Teilmengen \( U\subset\mathbb R \) des Raumes \( (\mathbb R,|\cdot|) \) mit der gewöhnlichen Abstandsmetrik, und entscheiden Sie, ob die Mengen offen sind.
(i) | \( U=[0,1]\cap\mathbb Q \) | (ii) | \( U=[0,1]\setminus\mathbb Q \) |
Aufgabe 9.3.14: (Innere Punkte und Inneres diskreter Mengen)
Wir betrachten die Menge \( X=\{1,2,3\}, \) zusammen mit der diskreten Metrik \( d(x,y), \) \( x,y\in X. \) Bestimmen Sie die Menge der inneren Punkte von \( X \) sowie ihr Inneres.
Aufgabe 9.3.15: (Das Innere als Vereinigung)
Es sei \( U\subseteq X \) eine Teilmenge des metrischen Raumes \( (X,d). \) Beweisen Sie: Das Innere \( \mathring U \) ist die Vereinigung aller in \( U \) enthaltenen offenen Teilmengen.
1. | Wie ist der offene Ball \( B_r(x) \) im metrischen Raum \( (X,d) \) definiert? |
2. | Was versteht man unter einer (offenen) Umgebung \( U\subseteq X \) eines Punktes \( x\in X? \) |
3. | Wie lautet das Hausdorffsche Trennungsaxiom? |
4. | Wann heißt eine Teilmenge \( U\subseteq X \) eines metrischen Raumes \( (X,d) \) offen? |
5. | Was können Sie über Durchschnitt und Vereinigung offener Mengen aussagen? |
6. | Was versteht man unter einem inneren Punkt und dem Inneren einer Menge? |
9.4.1 Definition abgeschlossener Mengen
Auf dem Begriff der offenen Menge baut nun der Begriff der abgeschlossenen Menge auf.
Definition: Es seien \( (X,d) \) ein metrischer Raum. Eine Teilmenge \( U\subseteq X \) heißt abgeschlossen, wenn ihr Komplement \( X\setminus U \) offen ist.
Beispiele abgeschlossener Mengen sind
(i) | das abgeschlossene Intervall \( [x,y]\subset\mathbb R \) mit \( X=\mathbb R \) und \( d(x,y)=|x-y| \) |
(ii) | der abgeschlossene Einheitsball \( \{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2\le 1\} \) in \( (\mathbb R^n,\|x-y\|_2) \) |
(iii) | die Menge \( X \) selbst in \( (X,d) \) |
(iv) | die leere Menge \( \emptyset \) in \( (X,d) \) |
Bemerkungen: Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum.
\( \circ \) | Die leere Menge \( \emptyset \) ist in \( (X,d) \) offen und abgeschlossen. |
\( \circ \) | \( X \) selbst ist in \( (X,d) \) offen und abgeschlossen. |
\( \circ \) | Eine nicht offene Menge ist nicht notwendig abgeschlossen. |
9.4.2 Durchschnitt und Vereinigung abgeschlossener Mengen
Satz: Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum, und es seien \( U,V\subseteq X \) sowie \( U_i\subseteq X, \) \( i\in I \) mit einer beliebigen Indexmenge \( I, \) Teilmengen. Dann sind richtig:
(i) | Sind \( U \) und \( V \) in \( (X,d) \) abgeschlossen, so auch \( U\cup V. \) |
(ii) | Sind alle \( U_i, \) \( i\in I, \) abgeschlossen in \( (X,d), \) so auch |
\[ \bigcap_{i\in I}U_i\,. \]
Vergleichen Sie diese Aussage mit der entsprechenden Aussage aus Paragraph 9.3.4 über den Durchschnitt und der Vereinigung offener Mengen.
Unser obiger Umgebungsbegriff erlaubt nun die
Definition: Es seien \( (X,d) \) ein metrischer Raum und \( U\subseteq X \) eine nichtleere Teilmenge. Ein Punkt \( a\in X \) heißt Randpunkt von \( U, \) falls in jeder Umgebung von \( a\in X \) sowohl ein Punkt von \( U \) als auch ein Punkt von \( X\setminus U \) liegt. Die Menge aller Randpunkte von \( U \) heißt ihr Rand \( \partial U. \)
Bemerkung: Auch hier vereinbaren wir nachträglich \( \partial\emptyset:=\emptyset. \)
Mit dem folgenden Satz führen wir unsere bisherigen Begriffe offener und abgeschlossener Mengen und ihrer Randpunkte zusammen:
Satz: Es seien \( (X,d) \) ein metrischer Raum und \( U\subseteq X \) eine Teilmenge. Dann sind richtig:
(i) | Es ist \( U\setminus\partial U \) offen in \( (X,d). \) |
(ii) | Es ist \( U\cup\partial U \) abgeschlossen in \( (X,d). \) |
(iii) | Es ist \( \partial U \) abgeschlossen in \( (X,d). \) |
Definition: Als den topologischen Abschluss von \( U \) bezeichnen wir schließlich den Ausdruck \[ \overline U:=U\cup\partial U. \]
Aufgaben - Definition abgeschlossener Mengen
Aufgabe 9.4.1: (Beispiele abgeschlossener Mengen I)
Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum. Entscheiden Sie, ob die folgenden Mengen \( U \) abgeschlossen in \( (X,d) \) sind. Begründen Sie.
(i) | \( U=[0,1]\subset\mathbb R \) mit \( X=\mathbb R \) und \( d(x,y):=|x-y| \) |
(ii) | \( U=[0,1]\subset\mathbb R^2 \) mit \( X=\mathbb R^2 \) und \( d(x,y):=\|x-y\|_2 \) |
Aufgabe 9.4.2: (Beispiele abgeschlossener Mengen II)
Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum. Beweisen Sie, dass folgende Mengen abgeschlossen sind in \( (X,d): \)
(i) | die Menge \( X \) selbst in \( (X,d) \) |
(ii) | die leere Menge \( \emptyset \) in \( (X,d) \) |
Zusammen mit Aufgabe 9.3.4 bedeutet das, dass \( X \) selbst und die leere Menge \( \emptyset \) offen und abgeschlossen in \( (X,d) \) sind.
Aufgabe 9.4.3: (Teilmengen diskreter metrischer Räume sind abgeschlossen)
Beweisen Sie: In einem metrischen Raum \( (X,d) \) mit der diskreten Metrik \( d(x,y) \) ist jede Teilmenge \( Y\subseteq X \) abgeschlossen in \( (X,d). \) Zusammen mit Aufgabe 9.3.7 bedeutet das, dass jede Teilmenge des diskreten Raumes offen und abgeschlossen ist.
Aufgaben - Durchschnitt und Vereinigung abgeschlossener Mengen
Aufgabe 9.4.4: (Ein Beispiel zum Verständnis)
Mit der gewöhnlichen Abstandsmetrik \( d(x,y)=|x-y| \) in \( \mathbb R \) betrachten wir die metrischen Räume \[ \begin{array}{l} (X,d)\quad\mbox{mit}\quad X=\mathbb R, \\ (X^*,d)\quad\mbox{mit}\quad X^*=[0,1)\cup[2,3]. \end{array} \] Beweisen Sie:
(i) | \( [0,1) \) ist abgeschlossen in \( (X^*,d), \) aber nicht in \( (X,d). \) |
(ii) | \( [0,1) \) ist offen in \( (X^*,d), \) aber nicht in \( (X,d). \) |
(iii) | \( [2,3] \) ist abgeschlossen in \( (X,d) \) und auch in \( (X^*,d). \) |
(iv) | \( [2,3] \) ist offen in \( (X^*,d), \) aber nicht in \( (X,d). \) |
Aufgabe 9.4.5: (Durchschnitt und Vereinigung abgeschlossener Mengen)
Es sei \( (X,d) \) ein metrischer Raum, und es seien \( U,V\subseteq X \) und \( U_i\subseteq X, \) \( i\in I \) mit einer beliebigen Indexmenge \( I, \) Teilmengen. Beweisen Sie unter Verwendung der de Morganschen Regeln die Richtigkeit der folgenden Aussagen.
(i) | Sind \( U \) und \( V \) abgeschlossen in \( (X,d), \) so auch \( U\cup V. \) |
(ii) | Sind alle \( U_i, \) \( i\in I, \) abgeschlossen, so auch |
\[ \bigcap_{i\in I}U_i\,. \]
Aufgaben - Randpunkte und Rand
Aufgabe 9.4.6: (Ein erstes Beispiel)
Wir betrachten den metrischen Raum \( (\mathbb R,d) \) mit der Abstandsmetrik \( d(x,y)=|x-y|, \) und hierin die Teilmenge \( U:=(0,1]\subset\mathbb R. \) Bestimmen Sie \[ \mathring U,\quad \partial U,\quad \overline U. \]
Aufgabe 9.4.7: (Rand und inneres abgeschlossener Kugeln)
Es seien \( n\in\mathbb N \) und \( r\gt 0 \) eine reelle Zahl. Betrachten Sie die Menge \[ K_r:=\{x\in\mathbb R^n\,:\,\|x\|_2\le r\}\,. \] Bestimmen Sie \( \partial K_r \) und \( \mathring K_r \) in \( (X,d) \) mit \( d(x,y):=\|x-y\|_2. \) Verifizieren Sie \[ K_r=\mathring K_r\cup\partial K_r\,. \]
Aufgabe 9.4.8: (Rand und Inneres einer Zahlenfolge)
Wir betrachten den metrischen Raum \( (\mathbb R,d) \) mit der Abstandsmetrik \( d(x,y)=|x-y|, \) und hierin die Teilmenge \[ U:=\left\{\frac{1}{n}\,:\,n\in\mathbb N\right\}\subset\mathbb R. \] Bestimmen Sie \[ \mathring U,\quad \partial U,\quad \overline U. \]
Aufgabe 9.4.9: (Eigenschaften des Randoperators)
Es seien \( (X,d) \) ein metrischer Raum und \( U\subseteq X \) eine Teilmenge. Beweisen Sie, dass dann gelten:
(i) | Es ist \( U\setminus\partial U \) offen in \( (X,d). \) |
(ii) | Es ist \( U\cup\partial U \) abgeschlossen in \( (X,d). \) |
(iii) | Es ist \( \partial U \) abgeschlossen in \( (X,d). \) |
1. | Wann heißt eine Teilmenge \( U\subseteq X \) eines metrischen Raumes \( (X,d) \) abgeschlossen? |
2. | Was können Sie über Durchschnitt und Vereinigung abgeschlossener Mengen aussagen? |
3. | Wann heißt ein Punkt \( a\in X \) Randpunkt einer Teilmenge \( U\subseteq X? \) |
4. | Was versteht man unter dem Rand einer Teilmenge \( U\subseteq X? |
9.5.1 Definition topologischer Räume
Um uns schließlich vom Begriff der Metrik zu lösen, kommen wir zur
Definition: Es sei \( X \) eine Menge. Ein System \( T \) von Teilmengen von \( X \) heißt eine Topologie auf \( X, \) falls gelten:
(T1) | Es sind \( \emptyset\in T \) und \( X\in T. \) |
(T2) | Sind \( U,V\in T, \) so ist auch \( U\cap V\in T. \) |
(T3) | Sind \( U_i\in T \) für alle \( i\in I \) mit einer beliebigen Indexmenge \( I, \) so ist auch |
|
Das Paar \( (X,T) \) heißt dann ein topologischer Raum.
Das System der offenen Mengen eines metrischen Raumes bildet eine Topologie. Metrische Räume ordnen sich daher topologischen Räumen unter.
9.5.2 Offene und abgeschlossene Mengen
Eine Teilmenge \( U\subseteq X \) eines topologischen Raumes \( (X,T) \) heißt
\( \circ \) | offen, wenn gilt \( U\in T; \) |
\( \circ \) | abgeschlossen, wenn \( X\setminus U \) offen ist. |
Ist \( a\in X \) ein beliebiger Punkt, so heißt
\( \circ \) | \( V\subseteq X \) eine Umgebung von \( a, \) |
falls es eine offene Menge \( U\subseteq X \) gibt mit \( a\in U\subseteq V. \)
Existieren zu beliebigen \( x,y\in X \) disjunkte Umgebungen \( U\subset X \) von \( x \) und \( V\subset X \) von \( y, \) d.h. lassen sich \( x \) und \( y \) trennen, so heißt \( (X,T) \) ein Hausdorffraum.
Aufgaben - Definition topologischer Räume
Aufgabe 9.5.1: (Eine Topologie über den reellen Zahlen)
Beweisen Sie: Das System aller offenen Mengen eines metrischen Raumes \( (X,d) \) bildet eine Topologie.
Aufgabe 9.5.2: (Die diskrete Topologie)
Es sei \( X \) eine nichtleere Menge. Wir setzen \[ T:={\mathcal P}(X) \] mit der Potenzmenge \( {\mathcal P}(X) \) von \( X. \) Beweisen Sie, dass \( (X,T) \) ein topologischer Raum ist.
Aufgabe 9.5.3: (Die indiskrete Topologie)
Es sei \( X \) eine nichtleere Menge. Wir setzen \[ T:=\{\emptyset,X\}\,. \] Beweisen Sie, dass \( (X,T) \) ein topologischer Raum ist.
Aufgabe 9.5.4: (Der Sierpinskiraum)
Es seien \( X=\{0,1\} \) und \( T=\{\emptyset,X,\{1\}\}. \) Beweisen Sie, dass \( (X,T) \) ein topologischer Raum ist.
Aufgabe 9.5.5: (Die kofinite Topologie)
Es sei \( X \) eine nichtleere Menge. Wir setzen \[ T:=\{\Omega\subseteq X\,:\,X\setminus\Omega\ \mbox{ist endlich}\}\cup\{\emptyset\}\,. \] Beweisen Sie, dass \( (X,T) \) ein topologischer Raum ist.
Aufgaben - Offene und abgeschlossene Mengen
Aufgabe 9.5.6: (Der Sierpinskiraum ist kein Hausdorffraum)
Beweisen Sie, dass der Sierpinskiraum aus Aufgabe 9.5.4 kein metrischer Raum und damit auch kein Hausdorffraum ist.
1. | Was versteht man unter einer Topologie? |
2. | Was versteht man unter einem topologischen Raum? |
3. | Wann heißt eine Teilmenge \( U\subseteq X \) eines topologischen Raumes offen? |
4. | Wann heißt eine Teilmenge \( U\subseteq X \) eines topologischen Raumes abgeschlossen? |